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Jeroen Dijsselbloem aus den Niederlanden muss um den Job als Eurogruppenchef und Juncker-Nachfolger kämpfen.

Foto: epa/hoslet olivier

Brüssel - "Ich habe deutlich gemacht, dass ich gerne Ende Jänner zurücktreten würde, und an diesen Fahrplan, der allen bekannt ist, werde ich mich auch halten", sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker der Agentur dpa am Donnerstag. Und bestätigte auch, dass er sich am Freitag mit dem niederländischen Finanzminister Jeroen Dijsselbloem treffen werde, um mit diesem "die Reisepläne der nächsten Jahre" zu besprechen, sprich konkret die Übergabe der Leitung des Rates der 17 Finanzminister der Währungsunion.

Agrarökonom ohne Regierungserfahrung

Dijsselbloem, ein Sozialdemokrat in der niederländischen Koalitionsregierung, gilt seit dem EU-Gipfel im Dezember als Favorit und einziger Kandidat für die Nachfolge Junckers, der seit 2005 im Amt ist. Am Montag sollte er nach Absprachen mit den Regierungschefs gewählt werden. Er ist zwar erst seit zwei Monaten im Amt, ausgebildeter Agrarökonom und ohne jede Regierungserfahrung, genießt aber als Vertreter der sehr stabilitätsorientierten Niederlande die volle Unterstützung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. Die Regierung in Paris hatte dazu bisher geschwiegen.

Junckers Erklärung wäre also an sich nichts Besonderes, hätte nicht der französische Finanzminister Pierre Moscovici tags zuvor ausgerechnet der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Interview gegeben und eine Blockade zu Dijsselbloem mehr als nur angedeutet. So wirkten die Juncker-Aussagen wie die Drohung mit Abgang ohne formellen Nachfolger am Montag.

Junktim mit EU-Budget

Tenor der Moscovici-Erklärungen: Es gäbe bisher nicht einmal ein formelles Bewerbungsverfahren; der Niederländer sei keineswegs fix; könnte frühestens im Februar gekürt werden, weil die "Kandidatensuche" ja erst beginne. Und vor allem: Er müsse erst schriftliche Festlegungen zum Kurs der Währungspolitik festlegen: "Wie kann der Euroraum in seiner Vollständigkeit erhalten bleiben, wie kann man zu besseren Wachstumsaussichten kommen, wie kann man die Bankenunion weiterentwickeln?", stellte der Franzose in den Raum. Paris erwarte " konkrete Antworten".

In den Regierungszentralen schlugen die Aussagen Moscovicis wie eine Bombe ein. Genauso gut hätte er sagen können, Eurobonds und Deficit Spending seien Pflicht, Dijsselbloem solle sich seine Hoffnungen in die Haare schmieren, interpretierte ein Verhandler die Aussagen, die eine öffentlichen Brüskierung seien.

Gerüchteküche brodelt

Es gibt zwei Theorien, was Frankreich damit bezwecke: Der Niederländer solle tatsächlich "abgeschossen" werden, weil Paris einen Europgruppenchef aus einem Land, das die von Merkel verlangten Sparkurse bedingungslos unterstütze, ablehne. Oder es versuche nur, die Zustimmung rauszuzögern, um am Ende noch die eine oder andere nationale Forderung durchzudrücken.

Indiz dafür: Nach Informationen des Standard stehen die Verhandlungen zum EU-Budget bis 2020 kurz vor Abschluss. Ratspräsident Herman Van Rompuy habe einen Durchbruch erzielt, auch mit dem britischen Premier David Cameron. Beim EU-Gipfel in drei Wochen soll das fixiert werden.

In Brüssel hieß es im Rat, Dijsselbloems Chancen seien intakt. Es wird aber nicht ganz ausgeschlossen, dass ein Kompromiss gesucht werden muss, die Minister aus Estland, Luxemburg, Finnland, Österreich kämen infrage. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 18.1.2013)