STANDARD-Schwerpunktausgabe
Digitale Demokratie

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"Rohdaten jetzt!", forderte "Internet-Vater" Tim Berners-Lee 2009. Ämter und Behörden erheben tagtäglich zahlreiche Informationen. Und genau auf diese soll der Bürger auch Zugriff bekommen. "Open Data" lautet das Stichwort. Eine Vision, die dabei ist, Wirklichkeit zu werden. Linz und Wien gelten hierzulande als Vorreiter. Im kontinentalen Kontext blickt man gerne nach London. Doch was ist "Open Data"?

Die Öffnung von Regierung und Verwaltung

"Open Data ist ein Grundpfeiler von Open Government, einem Synonym für die Öffnung von Regierung und Verwaltung gegenüber Bevölkerung und Wirtschaft", erklärt Experte Robert Harm, Vorstand des Vereins Open3. "Diese kann zu mehr Transparenz, Innovation und einer Stärkung gemeinschaftlicher Belange beitragen." Open3 hat sich dem Auftrag verschrieben, das Potenzial der Datenöffnung für Verwaltung, Politik und Gesellschaft aufzuzeigen.

Auch wirtschaftlich ist ein offener Zugang zu diesen Informationen ein relevanter Faktor. Die direkten und indirekten Effekte von "Open Data" belaufen sich laut EU-Berechnung auf bis zu 140 Milliarden Euro pro Jahr.

"Open Data City"

In London begann alles im Januar 2010. Damals kündigte Bürgermeister Boris Johnson an, die Metropole zur ersten "Open Data City" machen zu wollen. Es folgte die Eröffnung des London Datastore, wo eine Fülle an Daten - Unfälle, Wohnungspreise, erfasste Verbrechen und vieles mehr - von jedem abgerufen und genutzt werden kann.

Wien hat im Mai 2011 als erste Stadt Österreichs begonnen, Daten bereit zu stellen, etwa die Standorte öffentlicher WC-Anlagen. Erste Anwendung war die "Toilet Map Vienna", die in Zeiten drängender Not den schnellsten Weg zum nächsten "Örtchen" weist. Eine weitere Lösung, "Parken in Wien", wurde 2012 mit dem Content Award ausgezeichnet. Bisher sind insgesamt 64 Apps, Webservices und Visualisierungen entstanden.

"Öl der Wissensgesellschaft"

Johann Mittheisz, Technologiechef der Stadt Wien, spricht gegenüber dem STANDARD von "Open Data" als "Öl der Wissensgesellschaft". 2013 werden unter vier Schwerpunkten - beginnend mit "Verkehr und Wohnen" - weitere Datensätze freigegeben. Die Stadt Wien kooperiert in ihren Anstrengungen mit Partnern aus allen deutschsprachigen Nachbarstaaten.

Trotz Andrangs haben die Wiener Linien länger zur Öffnung gebraucht. Kürzlich wurde im Rahmen eines "Create Camps" erstmals Zugang zum Informationsschatz gewährt. Dem folgt, wie der zuständige Beauftragte Stefan Kriz im Interview erklärt, nun eine umfassende Prüfung des gesamten Datenspektrums. Es soll eruiert werden, welche Informationen bedenkenlos freigegeben werden können. Ein langfristiges "Open Data"-Konzept muss erst erarbeitet werden.

Der Zugriff auf Echtzeitverkehrsinformationen ermöglicht App-Entwicklern, Fahrgäste unmittelbar über Verzögerungen und andere Probleme im Öffi-Verkehr zu informieren. Statistische Angaben über Fahrgastaufkommen und Zugintervall bieten wiederum Datenjournalisten eine Grundlage dafür, Erkenntnisse über die Stadt und ihr Nahverkehrssystem zu erarbeiten.

Freiwillig

Als gesamtösterreichische Lösung fungiert die vom Bundeskanzleramt mitinitiierte "Open Government Data Platform". Sie ist zentraler Hub für alle Daten von Bund, Ländern und Gemeinden und soll auch mit dem "Open Data"-Projekt der EU vernetzt werden.

Die Teilnahme daran ist freiwillig. Keine Gemeinde ist verpflichtet, ihre Verwaltungsdaten bereit zu stellen. Ein Blick nach England gibt aber Grund zur Hoffnung, dass sich dies einmal ändern könnte. "Großbritannien ist im Bundesbereich europaweit führend", attestiert Harm. "Dort gibt es auch ein politisches Commitment auf höchster Ebene, die Themen 'Open Government' und 'Open Data' werden vom Premier persönlich getragen. Hier gibt es in Österreich sicher noch Aufholbedarf."

Im Mai 2010 folgte der Staat dem Beispiel Londons. Premier David Cameron versprach den Bürgern ein "Recht auf Daten", die Regierung startete das Portal data.gov.uk. Dort wird mittlerweile jeder Posten im Verwaltungsbudget ab einer Höhe von 25.000 Pfund aufgeführt.  (Georg Pichler, Der Standard, 18.01. 2013)