Viele Leser wollten wissen: "Wie könnten sich Komplementärwährungen und neue Bankmodelle demokratiepolitisch auswirken?"

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Um die Schöpfung von Geld ranken sich viele Mythen.

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Wien - Es ist viel passiert - auf den ersten Blick. Seit den ersten Schockwellen der Finanz- und Schuldenkrise 2008 wurden so manche marode Banken verstaatlicht und die Geldinstitute gezwungen, mehr Eigenkapital zu halten. Die neuen Bankenregeln Basel III schreiben den Geldinstituten dreimal so viel Kernkapital vor wie die Vorgängerversion des Regelwerks. In der Eurozone und Großbritannien sollen die spekulativen Aktivitäten der Banken vom Einlagengeschäft weitgehend getrennt werden, in den USA wiederum wurde den Banken das Zocken mit Hedge- und Private-Equity-Fonds deutlich erschwert.

Für manche zu kurz gedacht

"Es wurde nichts grundsätzlich geändert" - der zweite Blick. Richard Werner ist Professor für Internationales Bankwesen an der Universität von Southampton. Er kritisiert die bisherigen Antworten auf die Krise als zu kurz gedacht: "Am Geldsystem und den Grundursachen der wiederkehrenden Bankenkrisen wurde nichts geändert." Denn nach wie vor genießen die Banken ein enormes Privileg, das trotz Regulierung und mehr Kapital nicht angefasst wird: Sie dürfen aus dem Nichts Kredit schaffen - weil dafür nur ein Bruchteil an Reserven zurückgelegt werden muss.

Um das Geld rankt sich ein Schöpfungsmythos. Wie Werner in einer aktuellen Studie untersucht hat, glaubt eine überwiegende Mehrzahl der Deutschen, dass die Zentralbank die wichtigste Schöpferin des Geldes sei. "Doch das stimmt einfach nicht. Die privaten Banken schaffen und verteilen das Geld." Konkret schaffen die Banken bei der Vergabe eines Kredits auf Knopfdruck Giralgeld. Nach aktuellen Zahlen aus der Eurozone machen die Münzen und Scheine, die im Wirtschaftskreislauf zirkulieren, gerade einmal 850 Milliarden Euro aus. Doch diese Zahl wird vom Giralgeld in den Schatten gestellt: Die Summe der Kredite, die von den Banken geschaffen wurden, liegt derzeit bei 18.382 Milliarden Euro.

Schuldenberg mit gravierenden Folgen

Dieser Schuldenberg hat gravierende Folgen. Dazu genügt ein Blick nach Spanien. In den zehn Jahren vor 2008 sind die Bankkredite von 653 auf 2338 Milliarden Euro angeschwollen.

Spanische Unternehmen und Haushalte haben mit dem frischen Geld von den Banken einen massiven Immobilienboom befeuert. Jetzt ist laut der spanischen Zen tralbank jeder neunte Kredit "notleidend", kann also nicht mehr vollständig eingetrieben werden. Mit einer Ausfallsrate von elf Prozent ist ein Finanzsystem, in dem Banken immer noch weniger als zehn Prozent Eigenkapital haben, aber überfordert.

"Die Banken haben mit ihrem Privileg, Kredit zu schöpfen, immer wieder Krisen ausgelöst und verschärft", kritisiert der deutsche Ökonom Werner. Er ist ein intimer Kenner der Situation Japans. Dort hat eine Kreditblase in den 1980er-Jahren die Wirt schaft in eine wirtschaftliche Sta gnation gestürzt, die über 20 Jahre andauert. Auch die jahrzehntelangen Versuche der Zentralbank, die Wirtschaft zu stimulieren, gingen ins Leere, weil die Kreditvergabe der Banken zurückging.

Macht über Geldschöpfung

Daher fordern die Befürworter eines "Vollgeldes", wie der deutsche Soziologe Joseph Huber, dass die Giralguthaben in Zentralbankgeld umgewandelt werden. Damit hätte der Staat die Macht über die Geldschöpfung und könnte die lahmende Kreditvergabe und die Realwirtschaft ankurbeln.

Doch auch die Geldverbesserer sind keine homogene Gruppe. Neben den Befürwortern des Vollgeldes gibt es eine Reihe anderer Ideen zur Reform des Geldsystems. So wird Gold immer wieder als Anker für das Geld ins Spiel gebracht, um die laufende Inflationierung einzudämmen. Während die Befürworter eines Vollgeldes sich einen starken Staat wünschen, der die Geldschöpfung übernimmt, kritisieren die Verfechter einer goldgedeckten Währung, wie der Ökonom Thorsten Polleit, die bereits jetzt zu große Macht der Zentralbank.

Selbst im Internationalen Währungsfonds, dem wohl wichtigsten Vertreter der aktuellen Geldordnung auf internationaler Ebene, rumort es angesichts der jüngsten Krise. In einem Forschungspapier haben Volkswirte des Fonds eine Lanze für den "Chicago-Plan" gebrochen. Dieser Vorschlag war eine Antwort auf die Große Depression der 1930er-Jahre. Führende Ökonomen wie Irving Fisher forderten ein "100%-Geld". Die Banken sollten nur so viel Kredit vergeben, wie sie auch Reserven haben. Fi sher erwartete sich von dieser Reform viele Vorteile: Vor allem sollte die massive Schwankung der Konjunktur und die Krisenanfälligkeit der Wirtschaft eingedämmt werden. Gleichzeitig würden die Staaten schlagartig entschuldet sein. Die einzigen Verlierer wären die Banken, die ihr Vorrecht zur Geldschöpfung verlieren.

Push für die Wirtschaft

Die IWF-Volkswirte Jaromir Benes und Michael Kumhof bestätigen Fishers Hoffnungen in ihrem Papier und gehen noch weiter. Wenn sich nicht mehr große Teile der Wirtschaft mit unnötigen Kreditrisiken auseinandersetzen müssen und die Zinsen fallen, könnte die Wirtschaft um zehn Prozent produktiver sein als bisher - angesichts der Rezession in Europa ein verlockendes Angebot. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 19./20.1.2013)