STANDARD-Schwerpunktausgabe
Digitale Demokratie

Viele Leser wollten wissen: "Was machen die Piraten im Bereich Mitbestimmung eigentlich anders als klassische Parteien?"

Foto: Der Standard

Zahlreiche neue Kleinparteien, Initiativen und Bürgerbewegungen drängen seit Monaten auf die politische Bühne. Mehr als 900 sind es bereits. Mit im Gepäck führen die meisten von ihnen die Zusage, direkte Demokratie viel besser umsetzen zu können, als es die etablierten Großparteien vermögen.

Zu festgefahren seien diese, zu gefangen in ihren starren Netzwerken der Macht. Unmittelbare Teilnahme an politischen Entscheidungen soll den Bürger von seinem Schicksal als Zaungast erlösen. Direkte Demokratie, so das verlockende Versprechen, sei der Schlüssel zu Transparenz und ein Allheilmittel gegen Politikverdrossenheit.

Doch der Wunsch, das Volk entscheiden zu lassen, treibt nicht nur die Kleinparteien an - auch die FPÖ und Teile der Grünen wollen via Volksabstimmung Gesetze am Parlament vorbei erzwingen lassen. Eine potenzielle Gefahr dieser Direktlegislative sei etwa das Erstarken der Boulevard-Medien, befürchten Experten. Auch die Frage, wer für Fehlentscheidungen durch das Volk die Verantwortung übernimmt, bleibt vorerst unbeantwortet.

Einige der jüngst entstandenen Parteien haben durchaus Potenzial, viele Wähler für sich zu gewinnen. Vor allem frustrierte Weiß- und Nichtwähler könnten in ihnen eine neue politische Heimat finden. Hier eine Auswahl:

  • Die Piraten: Beflügelt von den Erfolgen der Piraten in Deutschland, wurden sie schnell zur Pionierpartei für direkte Demokratie. Jeder soll über alle Beschlüsse mitbestimmen können, möglich gemacht über Liquid Democracy (siehe Artikel unten). So soll es neben dem bedingungslosen Grundeinkommen etwa jedes Quartal Volksabstimmungen geben, für die die Bürger selbst die Themen vorgeben. Doch was in Deutschland nicht so richtig gelingen will, bringt auch die Piraten in Österreich ins Strudeln: Machtkämpfe und die nicht immer einfache Umsetzung der Basiswünsche führten zu mehrmaligen Parteiaustritten und Abspaltungen. Dort wo Transparenz auf herkömmliche Gremien stößt, kann es zu neuen rechtlichen Fragen kommen. Philip Pacanda, der Pirat, der nun in den Grazer Gemeinderat einzieht, weiß das. Wie etwa macht er Abstimmungen im Klub bei vertraulichen Unterlagen? "Wir werden versuchen datenschutzrelevante Details in eine neutrale Sprache zu übersetzen, bevor sie ausgeschickt werden." Im Klartext heißt das: Wenn etwa die Stadt mit einem Privaten um ein Grundstück verhandelt, wird dessen Name gestrichen, bevor alle Piraten und damit alle Grazer, die das möchten, im Internet mitlesen können.
  • Die Neos: Während viele Kleinparteien vor allem die Landtagswahlen aufmischen wollen, steckt sich "Neos - Das Neue Österreich" hohe Ziele: zehn Prozent bei den Nationalratswahlen. Das soll gemeinsam mit dem Liberalen Forum (LIF) gelingen - die Kleinparteien verhandeln derzeit einen Kooperationsvertrag, um im Herbst als Wahlplattform anzutreten. " Wir wollen in die Regierung", sagt Neos-Vorsitzender Matthias Strolz, ehemals ÖVP. Die von ihm im Oktober 2012 gegründete Partei hat inzwischen mehr als 1000 Mitglieder, das Credo: "Neue Köpfe, neuer Stil, neue Politik." Kernthemen sind etwa parteipolitische Entfesselung der Schulen, Stärkung des Parlaments, Personenwahlrecht und Abschaffung der Landtage, wenn die Länder keine finanzielle Eigenverantwortung übernehmen.
  • Die Mutbürger: Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss von rund zehn Parteien und Initiativen, die bei der Landtagswahl in Niederösterreich und bei den Nationalratswahlen antreten wollen - sofern sie die Unterstützungserklärungen (50 pro Gemeinde beziehungsweise 2600 für Österreich) zusammenbekommen. Das gilt natürlich für alle Kleinparteien. Einer der Mutbürger-Partner ist die Onlinepartei, die zu Jahresende eine Abstimmungsplattform vorgestellt hat.
  • Die unzufriedenen Österreicher: Sie sind eine klassische Protestpartei. Sie wollen in keine Regierung, aber den Weiß- und Nichtwählern eine Signalwirkung bieten und mit deren Stimmen einen Machtverlust für die Großparteien erzielen. (juh, mika, cms, DER STANDARD, 19.1.2013)