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Ziel ist immer der Gipfel: bitter für alle, die auf dem Weg dorthin umkehren müssen, weil sie durch die Höhe zu wenig Sauerstoff aufnehmen und damit ein Hirnödem riskieren.

Foto: APA/Gemunu Amarasinghe

Trekking in Nepal oder Peru, Kilimandscharo-Gipfelerlebnis in Afrika, Vulkane in Mexiko oder "leichte" 4000er in den Alpen: Auch ohne viel Erfahrung kann man heutzutage Reisen in große Höhen buchen. "Der Druck in manchen Gruppenreisen ist groß", erzählt Marco Maggiorini, Höhenmediziner aus Zürich. "Man will die anderen nicht aufhalten und hat viel Geld bezahlt - so geht man weiter, auch wenn man Zeichen einer Höhenkrankheit spürt."

Konkret ist es dann aber so: Der Kopf schmerzt, einem ist übel, das Atmen fällt schwer, oder ein Hustenreiz geht nicht vorüber: All das sind Alarmsymptome für eine beginnende Höhenkrankheit. Beachtet man sie nicht, kann das tödlich enden. "Die meisten kennen inzwischen die Vorzeichen genau", sagt Maggiorini. "Aber entweder ignorieren sie sie oder wissen nicht, was zu tun ist." Dabei lässt sich Höhenkrankheit vermeiden, wenn man sie rechtzeitig erkennt und gut reagiert.

Mediziner unterscheiden zwei Formen: Die eher harmlose akute Bergkrankheit von lebensbedrohlichen Ödemen in Gehirn oder Lunge. Die Bergkrankheit äußert sich typischerweise durch Kopfschmerzen. Zusätzlich kommt noch mindestens ein anderes Symptom hinzu: Manchmal ist es Schwindel, manchmal Appetitlosigkeit und Übelkeit. Andere können nicht einschlafen und wachen nachts öfter auf. "Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte man einen Kater", sagt Maggiorini. Schlimmer werden die Beschwerden, wenn man sich weiter anstrengt. Die Symptome treten nach einigen Stunden oberhalb von 2000 bis 2500 Metern auf. Bis zu jeder vierte Bergsteiger leidet in dieser Höhe darunter, in 4500 Metern mehr als jeder zweite. Je rascher man aufsteigt und je weniger man an die Höhe gewöhnt ist, desto größer ist das Risiko. Schont man sich und verzichtet auf den weiteren Aufstieg, verschwinden die Beschwerden meist innerhalb von ein bis zwei Tagen.

Exakte Selbstwahrnehmung

Das Höhenlungenödem kommt seltener vor. Dabei sammelt sich Flüssigkeit im Lungengewebe an, und die Atmung wird behindert. Erste Zeichen sind, dass man schlecht Luft bekommt und die Leistung plötzlich nachlässt. "Spreche ich auf Hüttentouren die Betroffenen darauf an, versichern mir einige, es gehe ihnen gut", erzählt Maggiorini. "Später in der Nacht werde ich dann geweckt und soll rasch helfen." Der Höhenkranke sitzt im Bett und ringt nach Luft, hustet und ist blau im Gesicht.

"Gefährlich wird es, wenn man aus Ehrgeiz trotzdem weitergeht", warnt Martin Burtscher, ehemaliger Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Alpin- und Höhenmedizin. Denn dann kann sich aus der akuten Bergkrankheit ein Höhen-Hirnödem entwickeln, bei dem sich Flüssigkeit im Hirngewebe ansammelt. Durch den Schädelknochen kann sich das Gewebe nicht ausdehnen, und das Nervengewebe wird immer weiter zusammengedrückt. Das verursacht Kopfschmerzen. Werden sie stetig schlimmer, muss man sich übergeben, und treten dann auch Gleichgewichtsprobleme auf, hat man quasi Gewissheit, dass einen die Höhenkrankheit erwischt hat. Hirnödeme treten manchmal sogar ohne vorherige Kopfschmerzen auf. Besonders ernst wird es, wenn jemand nicht mehr richtig stehen kann oder breitbeinig unsicher geht. Schläfrigkeit oder sogar Bewusstlosigkeit können diesem Zustand folgen. Ohne Therapie stirbt man rasch.

Höhenkrank kann jeder werden, unabhängig von Alter, Geschlecht oder körperlicher Fitness. "Warum der eine höhenkrank wird und ein anderer nicht, wissen wir noch nicht genau", sagt Peter Bärtsch, Chefarzt der Abteilung für Sportmedizin an der Uniklinik Heidelberg. Vermutlich sind durch erbliche Neigung Mechanismen gestört, die die Atmung und den Kreislauf bei Sauerstoffmangel in großen Höhen regulieren. Die Blutgefäße werden durchlässiger für Flüssigkeit, beim Lungen- und Hirnödem werden zusätzlich rote Blutzellen aus den Gefäßen gepresst.

Tour abbrechen

"Hat einen die Höhenkrankheit erwischt, muss man ehrlich zu sich sein und die Tour unterbrechen", empfiehlt Burtscher, "selbst dann, wenn man das Gefühl hat, die Gruppe durch die eigene Schwäche aufzuhalten." Dann gilt es die bestehenden Symptome genau abzuwägen. Sind Kopfschmerz, Übelkeit, Schwindel, Appetit- und Schlaflosigkeit nur leicht, könnte ein Ruhetag die körperliche Situation wieder normalisieren. Zusätzlich helfen Mittel gegen Kopfschmerzen und Übelkeit und das Glaukommedikament Acetazolamid, ein Carboanhydrasehemmer aus der Substanzklasse der Sulfonamide, der den Augen-, Hirn- und Blutdruck senken kann und zu einer vermehrten Ausscheidung von Kalium führt.

Bleiben diese Maßnahmen wirkungslos, sollten Höhenkranke 500 bis 1000 Meter absteigen. Geht es dort auch nicht besser und kommen Zeichen für ein Hirn- oder Lungenödem hinzu, heißt es: schnellstens ins Tal runter. "Der Transport sollte für Betroffene so wenig anstrengend wie möglich sein, denn sonst wird alles nur noch schlimmer", warnt Burtscher. Gegen das Ödem im Hirn hilft Kortison, gegen das in der Lunge Nifedipin oder Sildenafil - Letzteres besser bekannt als Viagra, weil diese Wirkstoffe Blutgefäße erweitern. Als Unterstützung wird der Sauerstoffgehalt im Körper erhöht, entweder durch die Gabe von Sauerstoff oder mithilfe eines Überdrucksackes, einer Art Schlafsack, der aufgepumpt wird. Burtscher wird oft gefragt, wie man sich am besten schützen kann: "Man kann es nicht oft genug predigen", sagt er, "ab 2000 Metern nicht mehr als 300 bis 500 Meter pro Tag aufsteigen, langsam gehen und alle drei Tage eine Pause einlegen."

Noch vorsichtiger sollten all jene sein, die schon einmal höhenkrank waren. Sie können Acetazolamid gegen die Höhenkrankheit bzw. Nifedipin oder Sildenafil gegen das Lungenödem prophylaktisch einnehmen. Höhenmediziner empfehlen Nifedipin, weil es preiswerter ist und man das Medikament und seine Nebenwirkungen länger kennt. "Zur Therapie ist aber Sildenafil möglicherweise besser, weil es rascher und spezifischer auf die Lunge wirkt", sagt Höhenmediziner Bärtsch. Manche fragen ihn nach Medikamenten zur Vorbeugung, weil sie keine Zeit haben, sich an die Höhe zu gewöhnen. "Dann verschreibe ich das aber ungern - man sollte seine Tour besser so planen, dass man ohne Medikamente auskommt." (Felicitas Witte, DER STANDARD, 21.1.2013)