Direkt an der Schnellstraße Richtung Norden in der Provinz La Union liegt Titas Sari-Sari Store.

Foto: derStandard.at/Lechner

Mit dem Laden, den sie gemeinsam mit ihrem Mann betreibt, hat Tita sich vor zehn Jahren einen kleinen Wunsch erfüllt.

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Großen Gewinn wirft das Geschäft nicht ab, aber es reicht zum Leben.

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Verkauft wird über eine kleine Öffnung an der Vorderseite. Auch Titas Enkeltochter hat Spaß am Mithelfen im lebensgroßen "Kaufmannsladen".

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Verkauft wird alles, was man im Alltag so braucht: von Getränken über Öl, Reis, Seife, Zigaretten und Handy-Ladebons. Und alles in kleinsten Mengen.

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Die Waren stapeln sich in einem kleinen Hinterraum des Geschäftes: am Boden, in Regalen und selbst an der Decke sind sie befestigt.

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Manche Sari-Sari-Stores verkaufen auch warmes Essen. Tita hat die Küche im Freien, um während des Kochens für die Familie ein Auge auf den Laden haben zu können.

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Manchmal hilft auch Titas Tochter im Laden mit. Titas Sohn soll den Laden später einmal übernehmen.

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Und wenn wieder einmal der Strom im Ort ausfällt, dann wird eben bei Kerzenlicht verkauft.

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Brütende Hitze liegt über Biday, einem kleinen Vorort von San Fernando City im Norden der Philippinen. Tita Chan steht wie jeden Tag in ihrem kleinen Laden entlang des viel befahrenen Highway Norte. Mit dröhnendem Geknatter rasen Tricycles, Autos und Jeepneys vorbei, während sie die Kundschaft bedient und die eingekauften Waren in den kleinen Verkaufsraum schlichtet.

Seit zehn Jahren betreibt Tita, von ihren Verwandten liebevoll "Lola" (Oma) genannt, neben ihrem Haus einen Sari-Sari Store, die philippinische Version eines Greißlers. Früher Saisonarbeiterin in einer Tabakfabrik, hat sich die 63-jährige Philippinin damit ihren kleinen Traum von der Selbstständigkeit erfüllt. Lange bevor die Straße zur Schnellstraße wurde, war sie die Erste, die hier ein Geschäft aufmachte. Damals gab es noch weit und breit keine Konkurrenz. Heute muss sie sich mit sechs weiteren Stores und einem Hypermarkt die Kundschaft teilen.

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Philippinische Tradition

Das Wort "Sari-Sari" stammt aus der philippinischen Sprache Tagalog und bedeutet so viel wie "von allem etwas". Die etwa zwei Millionen Stores finden sich beinahe an jeder Straßenecke des Inselstaates und sind fixer Bestandteil der philippinischen Kultur und Tradition.

In vielen Gegenden mit schwacher Infrastruktur sichern sie den BewohnerInnen die Nahversorgung: Hier bekommt man alles für den täglichen Bedarf – von kalten Getränken, Snacks und Zigaretten über Reis, Öl, Kaffee und Süßigkeiten bis hin zu Handy-Wertkarten, Seife und Shampoo, und das in kleinsten, leistbaren Mengen. Hat man eine Zutat fürs Kochen vergessen, läuft man schnell zum kleinen Laden ums Eck und kriegt genau, was man braucht: portionsweise, per Stück, in schmalen Säckchen oder Tüten. Soziale Kontakte inklusive.

Vollgestapelt mit Waren aller Art

"Am besten verkaufen sich Zigaretten", sagt Tita. Die können in ihrem Laden auch per Stück erstanden werden. Verkauft wird meist über einen Tresen an der oft vergitterten Vorderseite des Geschäfts, die gleichzeitig auch vollgestapeltes Schaufenster und Werbefläche ist. In dem meist sehr kleinen, dunklen Raum dahinter lagern bunt gemischt die Waren aller Art: in Regalen, auf dem Boden und – um Platz zu sparen – in großen, von der Decke hängenden Säcken.

Je größer das Angebot ist, umso mehr KundInnen kommen wieder. Manche Sari-Sari Stores bieten auch warme Speisen an, dafür braucht es allerdings eine eigene Lizenz. Tita betreibt keine "Eatery". Dennoch hat sie eine kleine Küche im Freien, um ein Auge auf den Laden haben zu können, wenn sie mittags für die Familie kocht.

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Markt und Hypermarkt

Zwischen halb sechs und sechs Uhr früh sperrt Tita ihren Store auf. Schon davor räumt sie auf, kümmert sich um die Wäsche und füttert das Hausschwein und die Enten. Um acht erledigt sie ihre Einkäufe für den Store. Währenddessen schaut ihr Mann auf das Geschäft, nachdem er die in der Nachbarschaft wohnenden Enkelkinder zur Schule gebracht hat.

Früher hat Lola Tita ihre Waren ausschließlich auf einem basarähnlichen Großmarkt in der Umgebung erstanden. Heute nutzt sie auch den Hypermarkt im vor wenigen Jahren aus dem Boden gestampften Einkaufszentrum in Biday. Dort trifft man auch auf andere Sari-Sari Store-Besitzer der Umgebung, die ihre Einkaufswagen randvoll mit kleinen Chips- oder Shampootütchen, Dosengetränken oder Wasserflaschen gepackt haben und mit ihren Großeinkäufen die Kassen blockieren.

Dabei war die Shopping Mall anfangs eher ein Fluch als ein Segen fürs Geschäft, denn: "Viele unserer Kunden haben zuerst aus Neugierde nur mehr in der Mall eingekauft, sodass wir weniger Gewinn gemacht haben", sagt Tita. "Aber nach einiger Zeit sind sie wieder zu uns zurückgekommen. Es ist praktischer, im Store einzukaufen, denn hier bekommen sie die Dinge in genau der Menge, die sie gerade brauchen und die sie sich leisten können."

Filipinos bleiben Sari-Saris treu

50 KundInnen pro Tag und ein Startkapital von 25.000 Pesos (rund 460 Euro) braucht ein kleiner Sari-Sari-Store laut Philippine Trade and Investment Center im Schnitt, um überleben zu können. Obwohl das Einkaufen in den Supermärkten mit ihren Sonderangebote bei Filipinos immer beliebter wird, bleiben sie ihren Sari-Sari-Stores nach wie vor treu.

Besonders Güter des täglichen Bedarfs werden laut einer Studie des Konsumforschungsinstituts Kantar Worldpanel noch immer in den kleinen Läden ums Eck gekauft. KleinstunternehmerInnen wie Tita tragen damit wesentlich zum Wirtschaftsleben des Landes bei.

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Anschreiben als KundInnenservice

Gefeilscht wie am Basar oder Großmarkt wird in Sari-Sari Stores nicht, die KundInnen können aber anschreiben lassen. "Pautang" oder "palista" wird diese Verkaufskultur auf den Philippinen genannt.

Auch bei Tita kann man schuldig bleiben. Jeden Samstag, wenn die Arbeiter ihren Wochenlohn erhalten haben, ist bei ihr Zahltag. Die meisten würden ihre Schulden verlässlich begleichen, wenn auch nicht immer sofort: "Das ist eben Vertrauenssache", sagt Tita.

Dieses Service hat jedoch auch seine Schattenseiten, denn wenn die KundInnen nicht pünktlich zahlen, reicht das Geld nicht, um neue Waren für den Store zu kaufen. Dann muss Tita selbst am Markt anschreiben lassen und Schulden machen.

Kein Ruhetag

Geöffnet ist der Store bis 20.00 Uhr. Früher hielt Tita bis 23.00 Uhr offen, aber: "Seit uns das Gesetz verbietet, dass wir nach 22.00 Uhr keinen Alkohol mehr ausschenken dürfen, lohnt sich das nicht mehr."

Ruhetag haben sie und ihr Mann keinen, auch nicht am Wochenende. Einen ganzen Tag geschlossen zu haben, könnten sie sich einfach nicht leisten, sagt die Geschäftsfrau. Nur am Sonntag gönnt sie sich ein wenig Müßiggang und sperrt erst gegen elf, nach der Messe, auf.

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Ein Tratsch ist immer willkommen

Abends, wenn die Sonne langsam über der staubigen Schnellstraße untergeht, sitzen Tita und ihr Mann gerne an dem kleinen Tisch vor ihrem Store und plaudern – übertönt von den lauten Motorengeräuschen – mit ihren StammkundInnen. Sind doch Sari-Sari-Stores der beste Ort, um Neuigkeiten und Klatsch aus der Nachbarschaft auszutauschen.

Kommen Freunde oder Familie zu Besuch, werden sie nach allen Regeln der philippinischen Gastfreundschaft mit Snacks und Getränken bewirtet. Und wenn hin und wieder im ganzen Ort der Strom ausfällt, verkauft Tita eben bei Kerzenlicht.

Sari-Sari Store hält jung

Für ihren Mann, einen pensionierten Tierarzt, ist das Betreiben des Geschäfts vor allem ein Ausgleich, um im Alter geistig agil zu bleiben. Großen Gewinn werfe das Geschäft zwar keinen ab, "aber es reicht zum Leben", sagt "Großvater" Lolo: "Solange wir können, behalten wir unseren Store. Wenn unsere Gesundheit es einmal nicht mehr erlaubt, müssen wir sowieso aufhören."

Dann wird vielleicht ihr Sohn das Geschäft übernehmen, der schon jetzt offizieller Eigentümer ist. Bis dahin führt Tita weiter das Regiment, denn: "That is her happiness", sagt Lolo lächelnd. (Isabella Lechner, derStandard.at, 1.2.2013)