Eine Kollision von Neutronensternen in unserer Galaxie könnte im Jahr 775 für extreme Strahlung gesorgt haben.

Illu.: NASA/AEI/ZIB/M. Koppitz and L. Rezzolla

London - Die Spuren dieses kosmischen Großereignisses sind so gut versteckt, dass sie erst im Vorjahr entdeckt wurden. Der japanische Forscher Fusa Miyake stieß bei der Analyse von Baumjahresringen auf ein rätselhaftes Phänomen: Ringe, die sich im Jahr 775 unserer Zeitrechnung bildeten, weisen extrem hohe Konzentrationen der sehr seltenen Isotope Kohlenstoff-14 und Beryllium-10 auf.

Das ist erklärungsbedürftig. Miyake vermutete, dass eine kurze Periode sehr starker kosmischer Strahlung dafür verantwortlich sein könnte. Denn diese Atomsorten entstehen, wenn die energiereiche Strahlung mit Stickstoffatomen in der Atmosphäre kollidiert und diese zerfallen lässt. Doch was war die Quelle für diese extrem intensive Strahlung?

Miyake verdächtigte zunächst eine Supernova, also die Explosion eines Sterns. Doch davon müssten heute noch Reste in Form von Gasen und einem Neutronenstern aufspürbar sein. Da sich nichts davon finden ließ, wandte man sich einer zweiten Hypothese zu: Ein gewaltiger Sonnensturm könnte für den Strahlungsausbruch gesorgt haben.

Doch ein solches Phänomen wäre auf der Erde nicht verborgen geblieben: Eine riesige Eruption auf der Sonne hätte auf der Erde neben der unsichtbaren kosmischen Strahlung für beeindruckende Polarlichter gesorgt. Doch in keiner bekannten schriftlichen Quelle aus dieser Zeit findet sich ein Hinweis darauf.

Bleibt ein dritter Kandidat, den die Astrophysiker Valeri Hambaryan und Ralph Neuhäuser (Uni Jena) im Fachblatt "Monthly Notices of the Royal Astronomical Society" diskutieren: Es könnte vor gut 1200 Jahren einen kurzen Gammastrahlenausbruch in unserer Galaxie gegeben haben, hervorgerufen durch die Kollision zweier extrem dichter Sternenreste, etwa zweier Neutronensterne.

Für die Annahme spricht einiges: Bei einem solchen Ausbruch, der gerade einmal weniger als zwei Sekunden lang dauert, wird ein Puls extrem energiereicher Gammastrahlung ausgestoßen, aber so gut wie kein sichtbares Licht. Das würde auch erklären, warum es keine Berichte über ungewöhnliche Himmelsereignisse gibt. Die Forscher gehen davon aus, dass sich ein solches Ereignis in 3000 bis 12.000 Lichtjahren Entfernung abgespielt hat.

"Wäre der Gammastrahlenausbruch der Erde näher gewesen, hätte dies womöglich alles Leben ausgelöscht", vermutet Neuhäuser - nicht ohne hinzuzufügen, dass solche Strahlungsduschen extrem selten passieren: Der vermutete Ausbruch des Jahres 775 sei der einzige bekannte der vergangenen 3000 Jahre. (tasch, DER STANDARD, 22.1.2013)