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Leistbares Wasser aus dem Hahn ist hierzulande eine Selbstverständlichkeit. Wird die Versorgung privatisiert, scheinen Preissteigerungen vorprogrammiert.

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2000 führte der "Wasserkrieg" in Bolivien zu Ausschreitungen.

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Wasser ist ein Menschenrecht. Für viele Europäer ist es eine Selbstverständlichkeit. Doch ein EU-Richtlinien-Vorschlag, der die Privatisierung kommunaler Wasserversorgung fördert, verbreitet unter den Bürgern Angst. Am Donnerstag stimmt das Europaparlament darüber ab. Ein erst kürzlich gestartetes EU-Bürgerbegehren gegen das Vorhaben hat es bereits auf 400.000 Unterschriften gebracht. Werden es bis September dieses Jahres eine Million und mehr, dann muss sich die EU-Kommission in Brüssel der Sache annehmen.

Mahnende Beispiele

"Eine wirkliche Marktöffnung" soll die Richtlinie bringen. Diese Antwort der Brüsseler Beamten auf den Brief einer NGO lässt auch in Österreich die Alarmglocken schrillen. Da ist einerseits die Urangst davor, das Privileg, Tafelwasser aus der Leitung zu zapfen, zu verlieren. Andererseits sehen die Bürger, wenn sie über die Grenzen sehen, alarmierende Beispiele von fehlgeschlagenen Privatisierungen.

Die portugiesische Stadt Paços de Ferreira, deren Wasserversorgung 2004 teilprivatisiert wurde, ist so ein Fall. "Wir hatten eine Preiserhöhung von 400 Prozent in wenigen Jahren", klagt Humberto Brito, Teil der Bürgerbewegung 6. November, dem ARD-Monitor. Zwar seien es jetzt nur mehr sechs Prozent pro Jahr, das liege aber immer noch weit über der Inflationsrate des Jahres 2012 von 2,8 Prozent.

Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) wiederum drängten das bolivianische Cochabamba im Jahr 1999 zur Privatisierung. Daraufhin stieg der Preis alle paar Monate stark an und verteuerte die monatliche Rechnung letztendlich um bis zu 300 Prozent, was besonders den ärmsten Teil der Bevölkerung traf. Unter der Abschaffung vergünstigter Tarife haben aber auch die Mittelklasse und Firmen gelitten. Das mündete im "Wasserkrieg" von Cochabamba und der Rücknahme der Privatisierung im Jahr 2000.

An den Gemeindegrenzen beginnt die Transparenz

Und heute? Da übt die Geldgeber-Troika, gebildet aus EU, IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB), sanften Druck auf klamme Krisenländer aus, die Wasserversorgung zu Geld zu machen. In Griechenland sollen etwa die großen Wasserwerke von Athen und Thessaloniki, in Portugal sogar jene des Staates verkauft werden.

Garniert wird das Ganze nun durch das Vorpreschen der EU-Kommission. Konkret schlägt sie vor, dass Kommunen ihre Leistungen ausschreiben müssen, wenn sie über Stadt- und Gemeindegrenzen hinweg zusammenarbeiten oder wenn private Unternehmen an städtischen Dienstleistungen beteiligt sind. Das würde einen gewichtigen Teil des von Analysten auf über 100 Milliarden Euro taxierten europäischen Wassermarktes betreffen.

Wegweisende Volksbefragung

Mit dem Willen, für mehr Transparenz zu sorgen, hält Brüssel an einer umstrittenen Politik fest. So versuchen sich die Städte Paris und Berlin darin, die Wasserversorgung wieder komplett unter ihr Dach zu bekommen. In London sind die Probleme mit lecken Leitungen groß. Und auch Wien, das von der Richtlinie dank mächtiger städtischer Firmen nur mittelbar betroffen wäre, ist strikt gegen neue Ausschreibungsregeln. Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner tauscht die von der Kommission gelobte Transparenz bei der Auftragsvergabe allzu gerne mit der Gemeindeautonomie.

In der Grundsache könnten ihr Forscher und Bürger dabei Recht geben. So habe eine Studie der Universität Barcelona 2010 ergeben, dass Wasser nach Privatisierungen nicht günstiger, oftmals aber weniger sauber sei, berichtet der ARD-Monitor. Auch würden sich in Deutschland über 80 Prozent der Menschen dafür aussprechen, dass alles beim Alten bleibt. 

Ob es die Österreicher ähnlich halten, weiß man in knapp zwei Monaten zumindest in Wien. Vom 7. bis zum 9. März werden die Bürger befragt, ob die gemeindeeigenen Betriebe, die Energie, Wohnungen, aber auch Wasser bereitstellen, vor einer Privatisierung geschützt werden sollen oder nicht.

Private als Deckmantel für Preiserhöhungen

Allerdings wünschen sich die Bürger in Zeiten der Staatsschuldenkrise auch, dass die Politik bei den Kosten den Gürtel enger schnallt. Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier macht mit diesem Argument Werbung für seinen Vorschlag. So mancher Bürgermeister verspricht sich gleich doppelt Bares vom Teilverkauf der Wasserversorgung. Denn Privatinvestoren werden gerne als Deckmantel hergenommen, um Gebühren zu erhöhen. Eine Win-Win-Situation für Kämmerer und Unternehmen.

Ein Beispiel dafür ist die eingangs erwähnte Stadt Paços de Ferreira, wo das private Unternehmen Somague Ambiente nur zu zehn Prozent am städtischen Unternehmen beteiligt sein dürfte. Die starke Preissteigerung muss ihren Segen also auch von den Herren und Damen im Rathaus bekommen haben.

Und auch in Klagenfurt haben die Wasserpreise mit dem Einstieg des Konzerns Veolia im Jahr 2006 angezogen. Die Franzosen waren direkt mit 45 Prozent, indirekt mit 51 Prozent an der Stadtwerke-Tochter beteiligt. 2010 beendete man das Gastspiel wieder, die Preiserhöhungen sind geblieben. Seitdem kämpft das "Bürgerforum Wasser Klagenfurt" für mehr Transparenz in der Stadtverwaltung.

Der Konzern, dein Freund und Helfer

Nun hat der Kärntner Landtag im Hinblick auf die Kommissionspläne im Herbst 2012 durchgesetzt, dass die heimischen Wasserreserven "nicht privatisiert und anschließend in die Hände von großen Konzernen fallen" dürfen.

Zu diesen Konzernen gehören die britische Thames Water, die spanische Abengoa, die französischen Unternehmen Veolia und Suez sowie die deutschen Firmen RWE und Gelsenwasser. Die Konzerne sind es auch, die die EU-Kommission in Wasserfragen beraten. Sollte das Bürgerbegehren Erfolg haben, dann könnten die Brüsseler Beamten mit ihrer Fehlersuche dort beginnen. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 23.1.2013)