Vier Systeme wollen sich am Smartphone-Markt etablieren, drei davon bereits dieses Jahr.

Foto: Jolla/Mozilla/Canonical/tizentalk.com

In den vergangenen Jahren hat sich am Smartphone-Markt ein mächtiges Zweigestirn hervorgetan. Dieses besteht aus Googles Android, das im globalen Kontext mittlerweile einen Anteil von 70 Prozent für sich vereinnahmt, und Apples iOS. Der Platz daneben ist knapp.

Einst etablierte Größen haben einen tiefen Fall hingelegt. Mit dem Aufstieg des iPhones verschwand Windows Mobile in der Versenkung, mit Windows Phone versucht Microsoft wieder in die Spur zu finden. Besonders hart waren die letzten beiden Jahre auch für RIM. Die Kanadier verschliefen Trends und Entwicklungen und befinden sich mit dem Ende des Monats erscheinenen BlackBerry 10 ebenfalls in der Rolle des Nachzüglers.

Langer Weg für Ubuntu

Doch sie sind nicht die einzigen, welche sich anschicken, die aktuellen Machtverhältnisse aufzubrechen. Drei Linux-basierte, offene Systeme wollen den Markt in den kommenden Monaten und Jahren aufmischen: Firefox OS, Tizen, Sailfish OS und Ubuntu for Phones.

Letzteres System - offiziell präsentiert zu Jahresanfang - hat noch einen langen Weg vor sich, denn vor 2014 ist nicht mit ersten Geräten zu rechnen. Canonical bedient sich an der von Google bereits geleisteten Arbeit und zieht die Software auf Basis des Android-Kernels (der wiederum ein veränderter Linuxkernel ist). Das ermöglicht eine flotte Unterstützung für verschiedene Devices, da Hersteller sich weniger um Treiberanpassungen kümmern müssen.

Ubuntu for Phones soll sowohl native Ubuntu-Apps als auch in HTML5 geschriebene Software ausführen können. Der Verzicht auf eine virtuelle Maschine (wie Androids "Dalvik") soll Vorteile in Sachen Speicherhunger und Performance bringen. Geworben wird auch mit einem eigenen Interface-Konzept und einem Lockscreen, der sich anhand der Aktivitäten des Nutzers grafisch verändert und ein einzigartiges Muster zeichnet.

Das System soll sich gut in die bestehende Ubuntu-Vielfalt einfügen. Ubuntu gehört einerseits zu den meistgenutztesten Linux-Distributionen am Desktop und existiert als Ubuntu TV auch in einer Fassung für SmartTVs. Gerätekonvergenz lautet das Stichwort, über ein Dock soll man ein Ubuntu-Phone künftig auch auf einem Bildschirm im Desktop-Modus verwenden können.

Sailfish: Ambiance-Premium für anspruchsvolle User

Im November gewährte das Startup Jolla einen ersten Blick auf Sailfish OS. Die ehemals für Nokia tätigen Entwickler haben den "Segelfisch" als Nachfolger zu MeeGo entwickelt. Zu Jahresanfang wurde dann ein früher Build des Systems auf einem zwei Jahre alten Nokia N950 präsentiert.

Auffallend ist das "Ambiance"-Konzept, Oberfläche und Schriften des Systems passen sich dank diesem farblich an das gewählte Hintergrundbild an. Das System setzt auf das Kernsystem "Mer" und das UI-Framework "Nemo" und bietet eine Mischung aus offenen Bestandateilen und proprietären Komponenten. Viele Android-Apps sollen vom Start weg auf der weitgehend kompatiblen Plattform starten können.

Sailfish hat mit 2013 nicht nur ein Startdatum, sondern auch eine Zielgruppe: Premium-User, die das Besondere suchen. Ob sich diese Aussage auf die Hardware künftiger Geräte umlegen lässt, wird sich weisen.

Mozilla legt vor

Die größten Fortschritte hat bisher wohl Mozillas Firefox OS gezeigt. Hier konnte man erst vor kurzem erste Hardware - die beiden Entwickler-Smartphones Keon und Peak - zeigen. Der Firefox Marketplace ist in einer Testversion bereits seit Oktober im Betrieb. Auch das Portfolio an Partnern kann sich schon sehen lassen, an Bord sind etwa der spanische Telefonica-Konzern, die Deutsche Telekom, den US-Telco Sprint, Chiphersteller Qualcomm sowie den chinesische Elektronikproduzenten ZTE. Noch in den nächsten Monaten dürfte das erste Firefox-Phone den brasilianischen Markt erreichen. Heuer sollen auch in Europa erste Geräte auf den Markt kommen.

Firefox OS setzt ausschließlich auf Webtechnologien. Interface und Apps werden ausschließlich in CSS, JavaScript und HTML5 entwickelt. Gleichzeitig soll dies dazu beitragen, dass die Hardware möglichst wenig beansprucht wird und auch Low-End-Smartphones flott laufen und mit langer Batterie-Lebensdauer glänzen.

Wenig aussichtsreiche Position

"Die Frage ist, was das System für Kunden attraktiver macht als ein günstiges Android-Gerät, wenn sie nach einem Einsteiger-Device suchen?", meint Analyst Nick Dillon von Ovum gegenüber der BBC. Er zweifelt daran, dass Firefox OS dem Riesen Android Marktanteile in signifikantem Ausmaß abluchsen kann. Google liegt zudem im Vorteil mit seinen eigenen "Google Services"-Apps und einem prall gefüllten App Store.

Sollte sich Firefox aber etablieren, könnte dies der Entwicklung von HTML5-Apps - die prinzipiell auf jeder Plattform lauffähig sind - einen wichtigen Schub geben. Die Frage ist nur, ob HTML5 bereits "reif" genug ist, um sich als Grundlage für wichtige Apps zu bewähren.

Auch Tizen in den Startlöchern

Nicht vergessen darf man auch auf Tizen. Auch dieses Projekt ist ein Nachfolger von MeeGo, das mittlerweile mit Samsungs Bada-Projekt verschmolzen wurde. Ein erster Prototyp eines Tizen-Phones konnte schon vergangenen Mai gesichtet werden. Samsung arbeitet laut japanischen Medien sowohl mit NTT Docomo als auch europäischen Betreibern daran, dieses Jahr erste Geräte auf den Markt zu bringen.

Gemeinsamer Nenner, aber wenig Spielraum

Der gemeinsame Nenner all dieser Systeme ist, dass sie zumindest in großen Teilen offen liegen. Hersteller können sie selbst an ihre eigene Hardware anpassen und mit eigenen Anpassungen bestücken, ohne viel Geld für Lizenzierungen in die Hand nehmen zu müssen. Das macht Experimente natürlich leichter und reizvoll.

Sie könnten den Wettbewerb insbesondere im Low-End-Segment beleben. Dort steht Android - unterstützt von einer Flut billiger Geräte aus Asien - zunehmend alleine im Ring, da der Preisunterschied zu besseren Featurephones schrumpft, der praktische Mehrwert des Betriebssystems im Vergleich zu Geräten wie Nokias "Asha" aber erheblich ist.

Ob es auf diese Weise gelingen kann, sich auch abseits von Schwellenmärkten dauerhaft zu etablieren, bleibt abzuwarten. Dass alle vier neuen Player, die gemeinsam das mehr oder minder gleiche Feld beackern, auf Dauer erfolgreich sein können, darf bezweifelt werden. (red, derStandard.at, 24.01.2013)