Berlin - "Die Modewelt vermittelt ein Bild von Attraktivität und Leichtigkeit, das einen scheinbaren Weg ins Glück zeigt", sagt Anke Lambrecht, Ärztin und Vorsitzende des deutschen Vereins "Dick & Dünn Nordwest". Das sei verführerisch, weil die Schlussfolgerung nahe liege: Wenn ich dünn bin, habe ich keine Probleme. Dem eigenen Körper kontrolliert Nahrung zu entziehen bezeichnet Lambrecht als eine Bewältigungsstrategie. Denn das Streben nach dem Schlankheitsideal biete einen äußeren Halt für die innere Unsicherheit. Oft gehen damit aber auch Zwangssymptome und depressive Symptome einher.

Präventionsarbeit an Schulen

Für Wibke Schuster war die Magersucht ein Anker. Durch die ständige Beschäftigung mit der Nahrungsaufnahme hat sie  andere Probleme ausgeblendet. "Die Erkrankung gibt einem ein Gefühl der Kontrolle, das man in anderen Lebensbereichen nicht hat", sagt Schuster. Über den Verein "Irre menschlich" leistet sie Präventionsarbeit an Hamburger Schulen.

"In jeder Klasse sitzen etwa drei Schüler, auf die das Thema zutrifft oder bei denen sich die Lehrer Sorgen machen, ob eine Problematik vorliegt", sagt Manuela Richter-Werling, Geschäftsführerin des Vereins "Irrsinnig Menschlich" in Leipzig. Das Schulpräventionsprojekt ‚Verrückt? Na und!' des Vereins zeigt, dass nicht nur Events wie die Berliner Fashion Week, sondern auch mediale Vorbilder und Fernsehsendungen wie "Germany's Next Topmodel" eine große Rolle für das Essverhalten spielen. „Die Jugendlichen wachsen mit diesen medialen Schönheitsidealen auf, die oft keine realen Körper mehr zeigen", so Richter-Werling.

Mangelndes Selbstvertrauen

"Die Entstehung einer psychischen Erkrankung wie Anorexie ist zumeist weitaus komplexer als dass man sie auf einen Faktor wie das Schönheitsideal reduzieren kann", erklärt der Psychiater Wolfgang Gaebel, Vorsitzender vom "Aktionsbündnis Seelische Gesundheit". Neben dem gesellschaftlichen Schönheitsideal gebe es weitere Risikofaktoren wie innerfamiliäre Probleme, mangelndes Selbstvertrauen oder starke Leistungsorientierung. "Möglichst frühzeitig sollten deshalb psychotherapeutische Maßnahmen zum Einsatz kommen, die an Hintergrundkonflikten und einer Korrektur des Selbstbildes ansetzen", rät Gaebel. Unbehandelt kommt es zu vielerlei körperlichen Folgeschäden: Bei schweren Verläufen treten gar lebensbedrohliche Zustände auf.

Studien zeigen, dass 26 Prozent der Jugendlichen mit ihrer Figur unzufrieden sind und ihr Essverhalten zügeln, berichtet der deutsche Online-Reportagedienst humannews. Mädchen sind davon am häufigsten betroffen, zunehmend aber auch Jungen. Schätzungen zufolge leiden 0,5 bis 1 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland unter Anorexie. (red, derStandard.at, 24.1.2013)