Wels/Wien - Auch wenn sich nur die Hälfte der Vorwürfe bewahrheiten sollte, hat die Polizei in Oberösterreich einen der größten Verbrecherringe seit Jahrzehnten ausgehoben. Abgesehen von der Fülle der Delikte - von Brandanschlägen über Drogen- und Waffenhandel bis Raub, Körperverletzung, Erpressung und Betrug - lässt auch die Zusammensetzung der mutmaßlichen Tätergruppe aufhorchen: mutmaßliche Neonazis und Rotlichtgrößen. Von ursprünglich 23 festgenommenen Personen sind laut Staatsanwaltschaft Wels zehn in U-Haft.
Als Zentrale soll früher ein gemieteter Bauernhof in Desselbrunn im Bezirk Vöcklabruck gedient haben, wo rechtsextreme Protagonisten vor einigen Jahren den Kulturverein "Objekt 21" (nach der Hausnummer des Anwesens) gegründet hatten. Der Bauernhof gehört den Eltern von Regisseur Stefan Ruzowitzky, der 2008 mit dem KZ-Drama "Die Fälscher" einen Oscar gewonnen hat. Zu der Zeit, als die rechten Recken eingemietet waren, gab es mehrere Razzien des Verfassungsschutzes. Nach mehreren (nicht rechtskräftigen) Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz wurde der Verein inzwischen aufgelöst, die Familie Ruzowitzky ist die unliebsamen Mieter los.
Teilweise geständig
Im Zusammenhang mit Suchtgiftermittlungen und Brandanschlägen kam die Polizei schließlich einer erschreckend vielfältigen Allianz aus Rechtsradikalen und Rotlichtgrößen auf die Schliche. Auf ihr Konto sollen Brandanschläge auf Bordelle in Schärding und Inzersdorf mit mehr als 400.000 Euro Schaden gehen. In letzterem Fall wurde 2009 auch der damalige Geschäftsführer entführt und mit einer Motorsäge misshandelt. Im Mai 2011 soll die Bande dann einen Saunaclub in Wien-Floridsdorf abgefackelt haben, Schaden: 2,5 Millionen Euro. Der mutmaßliche Anstifter ist ein Unternehmer aus der Rotlichtkonkurrenz in Oberösterreich, er ist unter den U-Häftlingen, bestreitet aber alle Vorwürfe. Die anderen Verdächtigen sollen zumindest teilweise geständig sein.
Im Polizeibericht heißt es weiters: "Seitens der Organisation soll ein Escortservice zur Verschleierung der illegalen Prostitution gegründet und die arbeitenden Mädchen mittels Gewalt und Drohung unter Druck gesetzt worden sein."
Handel mit Waffen und gestohlenem Buntmetall
Auch im Waffenhandel sollen die Verdächtigen mitgemischt haben. Bei Hausdurchsuchungen fanden die Ermittler neben Suchtgift ein AK-47-Sturmgewehr samt Trommelmagazin, eine Skorpion-Maschinenpistole, mehrere illegale Faustfeuerwaffen, eine abgesägte Schrotflinte, jede Menge Munition und zehn Kilogramm Sprengstoff. Fast schon skurril mutet der Vorwurf an, dass über einen Zweig der Organisation auch Verkäufe von gestohlenem Buntmetall gelaufen sein sollen.
Der heimische Verfassungsschutz stellt generell fest, dass Gewaltdelikte im rechtsradikalen Milieu zunehmen: 2009 gab es 253 Anzeigen gegen Rechtsextreme wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und gefährlicher Drohung, 2011 waren es 368. Auch das oberösterreichische Netzwerk gegen Rassismus registrierte zuletzt eine massive Zunahme an rechtsextremen und neonazistischen Umtrieben. (simo, DER STANDARD, 25.1.2013)