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Günther Gorenzel macht nach Stationen bei Kaiserslautern und bei Rubin Kasan nun in Hoffenheim halt.

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Gorenzel am Trainingsplatz: "Wir arbeiten sehr stark in einzelnen taktischen Positionsgruppen. Im modernen Training ist es nicht mehr anders machbar, als sehr stark individuell auf einzelne Spieler einzugehen. Das Trainerteam teilt sich dann auf. Die ersten Besprechnungen sind um 8 Uhr früh, selten ist der Arbeitstag vor 20 Uhr vorbei."

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Günther Gorenzel hat sich als Fußball-Fachmann einen Ruf erworben, der über die Alpenränder hinausgeht. In der Coaching-Zone der deutschen Bundesliga ist der Kärntner der einzige rot-weiß-rote Beitrag. Warum die Mechanismen dennoch überall die gleichen sind und warum man sich in einer Welt voller Ablenkungen auf den Moment konzentrieren muss, sagt er im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Im Fußball kann es schnell gehen. 2009 waren Sie zwischenzeitlich Trainer beim Klagenfurter Unterligisten FC KAC. Ein Jahr später saßen Sie in der Champions League auf der Bank des russischen Meisters Rubin Kasan beim Remis gegen den FC Barcelona. Und Sie sagen: "Die Mechanismen sind überall gleich." Wie meinen Sie das?

Gorenzel: Der einzige Unterschied ist, dass die einzelnen Spieler aufgrund ihres Marktwertes unterschiedliche Kapazitäten mitbringen: höhere motorische Schnelligkeit, bessere Technik. Die psychologischen Handlungsabläufe bleiben aber die gleichen. Die Geschwindigkeit kommt primär von den Denkprozessen.

derStandard.at: Jetzt also Hoffenheim. Wie wünschen Sie sich, dass der Fußball gespielt wird?

Gorenzel: Es ist nicht entscheidend, wie ich mir Fußball vorstelle. Maßgeblich ist, ob die TSG Hoffenheim erfolgreich ist. Wir wollen uns noch eine Mannschaft vor uns in der Tabelle schnappen und vom Relegationsplatz wegkommen.

derStandard.at: Kaiserslautern, das war maximale Tradition. Hoffenheim, das ist ein Retortenklub. Dürfen Sie sich dazu äußern?

Gorenzel: Mir fällt nur so viel dazu ein: Hoffenheim hat in einem gewaltigen Tempo eine Vereinsentwicklung in fünf oder sechs Jahren durchgemacht. Dafür brauchen andere Klubs Jahrzehnte. Das verdient Respekt.

derStandard.at: Bei Kaiserslautern lief es nicht so gut. Dachten Sie nach dem Rauswurf im März, dass Sie so schnell wieder einen Job haben werden in Deutschland?

Gorenzel: Das Ziel muss immer sein, in der besten Liga der Welt zu arbeiten, wenn man schon in Deutschland war und auch in der Champions League Erfahrung gesammelt hat. Egal ob als Spieler oder als Trainer. Ich hatte das immer in meinem Kopf, und dass es so schnell wieder geklappt hat, ist natürlich umso schöner.

derStandard.at: Das Trainerkarussell hat eine atemberaubende Geschwindigkeit erreicht. Sind Sie Romantiker oder Realist?

Gorenzel: Beides. (lacht) Der Fußball braucht Emotionen, ich komme aber von der strategisch-analytischen Seite, habe das auch studiert und wurde sehr von meinem Elternhaus geprägt. Mein Vater war Physiker. Es geht darum, Dinge strukturiert aufzuarbeiten. Das heißt aber nicht, dass man Inhalte nicht emotional verkörpern kann.

derStandard.at: Wie unterscheidet sich die deutsche Liga von der russischen?

Gorenzel: Die deutsche Liga ist die stärkste Liga der Welt von der Dichte her. Sie ist auch die wirtschaftlich gesündeste Liga und hat die beste Perspektive. Spanien, Italien oder England sind in der Breite nicht so gut aufstellt.

derStandard.at: Bei den Fußballer-Preisverleihungen von UEFA und FIFA fehlt Deutschland seit Jahren.

Gorenzel: Noch!

derStandard.at: Kaum eine Lobby haben auch österreichische Fußballtrainer. Nach der Bestellung von Marcel Koller zum Nationalteamtrainer gab es viel Diskussion über die Reputation heimischer Fußballlehrer. Wie sehen Sie das Standing Ihrer Zunft im Ausland?

Gorenzel: Ich mache mir über das Ansehen meiner Kollegen keine Gedanken. Mein Fokus gilt meinen Inhalten, die ich transportieren möchte.

derStandard.at: Für eine mögliche zukünftige Jobsuche spielt das aber schon eine Rolle, oder?

Gorenzel: Was meine Person anbelangt, ist es völlig egal, ob da Österreich oder Spanien in meinem Reisepass steht. Trainer werden heute nach Persönlichkeit, Inhalten und Know-how ausgesucht.

derStandard.at: Sie haben an der Seite von Walter Schachner Erfolge beim FC Kärnten, der Austria und dem GAK gefeiert. Was haben Sie von Schachner mitgenommen?

Gorenzel: Walter Schachner hat in den 80er Jahren in Italien gespielt und dort sehr viel gelernt. Die Italiener waren damals Resteuropa in Sachen Taktik ein Stück voraus. Er hat in Österreich die Raumdeckung revolutioniert. Davon habe ich als junger Trainer sehr profitiert, und das war auch eine Grundlage unserer Erfolge in Österreich. Insgesamt habe ich von allen Trainerstationen verschiedene Fußball-Philosophien mitgenommen, dabei aber immer versucht, mir meine eigene Identität zu schnitzen.

derStandard.at: Der Rauswurf von Schachner vor zehn Jahren bei einer sehr erfolgreichen Austria bleibt unvergessen. Wie sehen Sie das Ende bei Violett im Rückspiegel?

Gorenzel: Mein Fokus und meine Konzentration liegen bei ganz anderen Dingen als bei Ereignissen, die vor zehn Jahren stattgefunden haben. Darüber denke ich nicht mehr nach.

derStandard.at: Sie leben absolut im Moment?

Gorenzel: Auf jeden Fall. Für mich zählt nur die nächste Aufgabe, die in den nächsten Stunden auf mich zukommt. Darauf bereite ich mich vor. Das Fußballgeschäft ist so schnelllebig und komplex, dass ich aus meiner Sicht nur eine Chance habe, die Aufgabe professionell zu bewältigen, wenn ich im Moment denke. Ansonsten verfange ich mich in der Komplexität, verlaufe mich und verliere die Konzentration.

derStandard.at: Zukunft statt Vergangenheit: Sie nannten das Klagenfurter Stadion einst einen "Palast". Kann man dort irgendwann wieder einen salonfähigen Kick bieten?

Gorenzel: Klar ist, dass die sportliche Situation in Kärnten der Infrastruktur hinterherhinkt. Das Stadion wird bald in seiner Endausbaustufe fertig sein, und das Ziel von Stadt und Land muss sein, in Klagenfurt wieder erstklassigen Fußball spielen zu können. (Florian Vetter, derStandard.at, 28.1.2013)