
Inhaltlich wie atmosphärisch sind sich ÖVP und Grüne oft näher, als man annimmt.
Zwischen Stephan Pernkopf und Rudi Anschober passt keine Photovoltaikzelle. Wenn der nieder- und der ober österreichische Umweltlandesrat gemeinsam ausrücken, vorzugsweise um die Energiepolitik des Bundes zu kritisieren, könnte man glatt vergessen, dass der eine ein Schwarzer und der andere ein Grüner ist. Pernkopf lobt denn auch in einem Beitrag für ein Buch der Julius-Raab-Stiftung, das im Februar anlässlich zehn Jahre schwarz-grüner Koalitionsverhandlungen im Bund erscheint, den Koalitionspartner der oberösterreichischen VP: Dessen "kons truktiver Regierungskurs (...) dokumentiert das liberale, lösungsorientierte Gesicht der Grünen".
Ein Modell also, das für Niederösterreich interessant wäre? Vielleicht gar der Traum des Speckgürtlers, oft Ex-Wiener mit ländlichen Wurzeln - und überdurchschnittlich oft Grün-Wähler? Dazu müsste die Volkspartei bei der Landtagswahl am 3. März ihre absolute Mehrheit verlieren, und das ist zwar nicht ausgeschlossen, laut nachgedacht wird in schwarzen Kreisen aber natürlich nicht darüber, schon gar nicht, wenn Journalisten zuhören.
Und dann kommt noch ein formales Problem hinzu: Weil in Niederösterreich eine Proporzregierung vorgesehen ist, also jede Partei ab etwa zehn Prozent automatisch einen Landesrat stellt, müssten die Grünen ebenso viel schaffen, um mit den Schwarzen eine Mehrheit in der Landesregierung zu haben. Derzeit gibt es aber keine Meinungsumfrage, die die Grünen in der Nähe der Zweistelligkeit sieht. Eine schwarz-grüne Initiative zur Abschaffung des Proporzes scheiterte übrigens Anfang 2012 im Landtag am Widerstand von SP und FP.
Inhaltlich hätte die Verbindung aber eine gewisse Logik, nicht nur wegen der betont grünen schwarzen Energiepolitik. Atmosphärisch betrachtet, bleiben schon nach dem Ausschließungsprinzip fast nur die Grünen als potenzieller Koalitionspartner für die VP. Mit SP und FP gibt es immer wieder heftigste Scharmützel und dementsprechend viel verbrannte Erde. Umso erstaunlicher ist es, wie oft sich VP und Grüne wechselseitig schonen. Vor allem für den Landeshauptmann hat Grünen-Obfrau Madeleine Petrovic immer wieder ein wohlwollendes Wort übrig; kürzlich meinte sie sogar, Erwin Pröll wisse vielleicht gar nichts von den mutmaßlichen Malversationen bei der Veranlagung des Landesvermögens.
Dieses Thema werden die Grünen im Wahlkampf zwar besonders trommeln, kritisiert wird dafür aber stets bloß Prölls Stellvertreter, Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka. Schwer vorzustellen, dass die Grünen mit ihm am Regierungstisch sitzen wollen würden. Inhaltlich wäre die größte Hürde wohl der Verkehr, dessen Planung in Niederösterreich sehr autozentriert erfolgt.
Dennoch: Eine kleine grüne Landespartei, die von knapp oberhalb der Wahrnehmungsschwelle in die Regierung des schwärzesten aller schwarzen Länder aufsteigt, das wäre im Superwahljahr 2013 wohl ein politischer Erfolg, für den man ein paar inhaltliche Zugeständnisse machen könnte. Und sollte die VP die Absolute nur knapp verpassen, dann wären die Grünen nicht zuletzt eines: der kleinste Mehrheitsbeschaffer. (Andrea Heigl, DER STANDARD, 26.1.2013)