Davos - Ägyptens Premier Hisham Kandil nutzte seinen Auftritt in Davos, um sich von dort an die Demonstranten am Tahrir-Platz in Kairo zu wenden. "Bitte geht wieder zur Arbeit! Das ist der einzige Weg, wie ihr die Situation in eurem Land verbessern könnt." Nach dem Einwurf aus dem Publikum, wo die Jobs seien, sagte er: "Einige haben welche." Insgesamt sechs Premierminister (aus Ägypten, Libyen, Tunesien, Libanon, Marokko und der Palästinenserbehörde) riefen dann fast gleichlautend die Bevölkerungen in ihren Ländern zu Geduld auf. Es brauche Zeit, die Erwartungen nach dem Arabischen Frühling zu erfüllen. Marokkos Premier Abdelillah Benkirane überraschte dann mit einer emotionalen Attacke gegen "den Westen, der die arabische Welt mit seinen Maßstäben misst, wir haben unseren eigenen Kontext".

Syrien-Regime bleibt länger

Einig waren sich die Regierungschefs über die Gefährlichkeit der Lage in Syrien. Zuvor hatte der König von Jordanien in Davos die Ansicht vertreten, das Regime in Syrien werde sich noch viele Monate an der Macht halten. "Jeder, der sagt, das Regime von Bashar al-Assad hat nur noch zwei Wochen zu leben, versteht wirklich nichts von den Realitäten vor Ort", sagte Abdullah II. Es werde sich "noch mindestens in der ersten Jahreshälfte behaupten".

Nach Meinung des jordanischen Königs habe US-Präsident Barack Obama in der zweiten Amtszeit die Chance, den Friedensprozess in Nahost voranzutreiben. Wenn es nicht in den nächsten vier Jahren zu einer Zweistaatenlösung komme, "wird es nie geschehen".

Die Wahlen in Jordanien am 23. Jänner versuchte der König als Erfolg darzustellen. Die größte Oppositionspartei des Landes, die islamische Aktionsfront der Muslimbrüder, will er einbinden - wie, ließ er offen. (afs, DER STANDARD, 26./27.1.2013)