Herumdrücken am Auge ist tabu. Durch die Manipulation werden die Erreger verteilt.

Foto: APA/AFP/KAREN BLEIER

Man sucht vergeblich nach dem Haar oder Stäubchen im roten Auge. Denn was sich anfühlt wie ein Fremdkörper, ist eine bakterielle Infektion, die auch schnell sichtbar wird – am Lidrand, an der Lidkante oder zwischen den Wimpern. Die betroffene Stelle schwillt an, wölbt sich. Der umgangssprachliche Begriff "Gerstenkorn" für die akute Entzündung kommt nicht von ungefähr. Wenn das unschöne Ding dann auch noch glasig wird, schaut es aus wie ein eitriger Pickel am Auge.

Hormonelle Faktoren, ähnlich wie bei Akne, können Gerstenkörner verursachen, sagt der Hartberger Allgemeinmediziner Reinhold Glehr. Als andere Verursacher identifiziert er auch Staub, Rauch, trockene Luft oder den Mangel an Sauberkeit beim Umgang mit diversen Kosmetika und Kontaktlinsen.

Wie bei der Akne gilt: nicht herumdrücken. Denn das Gerstenkorn (Hordeolum) ist eine durch Staphylokokken ausgelöste Infektion. Durch Manipulationen würden die Erreger verteilt, eine Ausbreitung der Entzündung und eine Weitergabe der Erreger durch mangelnde Handhygiene wäre die Folge.

Eine Gerstenkorn entsteht, wenn die Talgdrüsen (Meibom-Drüsen) am Augenlid verstopft sind, und das Sekret, das Lidränder einfettet und die Augenlider beweglich macht, nicht mehr abfließen kann. Meist bildet sich ein Gerstenkorn von selbst zurück. "Wenn man aber das Risiko einer Komplikation verhindern möchte, sollte man zum Arzt gehen", warnt Reinhold Glehr alle, die erst einmal lieber abwarten. Zur Beseitigung der Bakterien werden dann antibiotische Salben oder Tropfen verschrieben. Öffnet sich das Gerstenkorn nicht von selbst, muss es vom Arzt mit einer sterilen Nadel angestochen werden, damit der Eiter abfließen kann.

Nicht herumdoktern

Von Hausmitteln wie Auswaschen mit Kamillentee oder Auflegen von Teebeuteln wird abgeraten. Durch nasse Anwendungen werden die Bakterien über das ganze Auge verteilt. Besser ist das Betupfen mit Kompressen (Ringelblumen, Grüntee, Hamamelis oder Augentrost), die nach jeder Anwendung weggeworfen werden. Dreimal täglich über zehn Minuten warme Umschläge lindern Schmerzen ebenso wie Lichttherapie mit Infrarotlampen.

Wann muss man mit dem Gerstenkorn zur Fachärztin oder zum Facharzt? "Sofort", meint Susanne Binder, Vorstand der Augenabteilung in der Wiener Rudolfstiftung. "Das Hordeolum ist zwar die einfachste Erkrankung in der Augenheilkunde, weil es leicht zu diagnostizieren ist, aber harmlos ist es nicht." Abwarten, bis das Gerstenkorn von selbst verschwindet, sei der falsche Weg. Binder: "Es handelt sich um eine akute Entzündung und muss behandelt werden."

Vor allem bei Kindern trete sehr oft das Hordeolum internum, das interne Gerstenkorn, auf. Bei dieser Infektion der Meibom-Drüsen bricht Eiter nach innen durch. Komplikationen sind flächige Entzündungen. Nach der Therapie mit antibiotischen Salben und Tropfen sollte der Patient noch einmal zur Kontrolle kommen, rät Binder.

Gerstenkörner kommen in allen Altersgruppen vor, gehäuft bei Diabetikern. Wiederkehrende Entzündungen können auf eine noch nicht erkannte Stoffwechselerkrankung, beispielsweise Diabetes mellitus, hinweisen. Susanne Binder: "Tritt ein Gerstenkorn zwei- oder dreimal auf, wird spätestens nach dem dritten Mal ein Blutbild, eine genaue Untersuchung gemacht." Es gelte schließlich auch abzuklären, ob nicht eine andere auf bösartige Erkrankungen wie Tumore hinweisende akute Schwellung vorliege.

Anders als das Gerstenkorn ist das Hagelkorn (Chalazion) eine chronische, "harte" Entzündung der Meibom-Drüsen.

Härtere Bandagen

"Eine Abkapselung des Sekrets aus der inneren Schicht der Meibom-Drüse", beschreibt es die Augenspezialistin Binder. Ein Hagelkorn kann, muss aber nicht Folge eines Gerstenkorns sein. Der harte Knoten ist im Gegensatz zum Gerstenkorn selten schmerzhaft, sollte aber nicht ignoriert werden. Binder: "Ein Chalazion kann Astigmatismus oder eine andere Sehstörung auslösen."

Hagelkörner können sich spontan zurückbilden. Tun sie es nicht, gibt es zwei Formen der Therapie: Kortisoninjektionen in das umgebende Gewebe oder chirurgischer Eingriff.

Die Injektionen wirken bei rund 50 Prozent der Patienten, sagt Susanne Binder. Bei der anderen Hälfte ist ein Eingriff unter lokaler Betäubung notwendig. Dabei wird die Haut aufgeritzt und der Talg herausgeschält. Um einen Tumor der Meibom-Drüse, ein Basaliom (Hautkrebs) oder eine andere bösartige Krankheit auszuschließen, wird das Gewebe histologisch untersucht. (Jutta Berger, DER STANDARD, 28.1.2013)