Kanadische Verhältnisse - das wünscht sich ein Demonstrant in Dublin, Irland beim "March for Choice" im Herbst 2012.

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2008 erhielt Henry Morgentaler den "Orden von Kanada", die höchste zivile Auszeichnung des Landes, für sein Engagement für den legalen Schwangerschaftsabbruch.

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Wie in zahlreichen anderen Staaten wurde im 19. Jahrhundert auch in Kanada der Schwangerschaftsabbruch unter Strafe gestellt: Ab 1869 unterlag die Abtreibung einem gesetzlichen Verbot, auf deren Zuwiderhandeln lebenslange Haft stand. In den 1960er-Jahren begannen jedoch vor allem medizinische und juristische Verbände - neben Frauen- und Sozialvereinen - Druck zu machen und forderten die Liberalisierung der bestehenden Gesetzesgebung.

"No business in the bedrooms"

1967 präsentierte der damalige Justiz- und spätere Premierminister Pierre Trudeau hierzu einen neuen Gesetzesentwurf. Zwar kriminalisierte dieser den Abbruch weiterhin, sah aber "zum Schutz der Gesundheit der Frau" bestimmte Ausnahmefälle vor. Dafür musste die betreffende Frau bei einem Komitee aus drei ÄrztInnen ein Ansuchen stellen, zudem musste der Eingriff in einer Klinik und von speziell zugelassenen ÄrtzInnen durchgeführt werden.

Mit Trudeaus Vorstoß - von ihm stammt der populäre Ausspruch "Der Staat hat in den Schlafzimmern der Nation nichts verloren" - erfuhren auch zum einen Verhütungsmittel, zum anderen Homosexualität eine Legalisierung. 1969, genau ein Jahrhundert nach dem Totalverbot der Abtreibung, trat das neue Gesetz in Kraft.

Pro-Choice-Allianz

Trotz der gesetzlichen Lockerung gab es unter diesen strikten Bedingungen nur wenige Krankenhäuser, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen. Frauen aus katholisch dominierten Provinzen mussten oft quer durchs Land reisen, bis sie eine Klinik fanden, und bekamen vielfach auch noch eine Absage. Die Alternative war eine - kostspielige - Reise in die USA oder ein illegaler und lebensgefährlicher Abbruch durch Laien.

1969 gab Henry Morgentaler seine Montrealer Praxis als Allgemeinmediziner auf und konzentrierte sich fortan auf die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen. Morgentaler, polnisch-jüdischer Herkunft und Überlebender der Shoah, erklärte 1973 in einer öffentlichen Aktion, in Eigeninitiative rund 5.000 Abbrüche durchgeführt zu haben - nämlich außerhalb der speziell zugelassenen Kliniken und ohne die Zustimmung eines Komitees. 

Es folgten Verhaftungen und Prozesse - mit Unterstützung der wachsenden Pro-Choice-Bewegung in Kanada kam Morgentaler nach zehn Monaten Gefängnis frei. Nach Quebec eröffnete und betrieb Morgentaler in weiteren Provinzen Abtreibungskliniken, in Allianz mit feministischen Gruppen wie "CARAL" (Canadian Alliance to repeal the Abortion Law). Das juristische Tauziehen um das Abtreibungsrecht für Frauen sollte insgesamt fast zwanzig Jahre andauern.

Morgentaler-Entscheid

Am 28. Jänner 1988 schließlich befand der Supreme Court, dass das Verbot des Schwangerschaftsabbruches gegen die Verfassung verstieß. Der Schwangerschaftsabbruch wurde aus dem kanadischen Strafgesetzbuch ersatzlos gestrichen. Seitdem unterliegen Abtreibungen - wie alle anderen Gesundheitsthemen - dem Gesundheitsgesetz.

Das uneingeschränkte Recht auf Abtreibung ist in Kanada weiterhin umkämpft - so wurde etwa 1992 ein Bombenanschlag auf die Morgentaler-Klinik in Toronto verübt, Ende der 1990er-Jahre wurden mehrere ÄrztInnen, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, zur Zielscheibe von Heckenschützen. (red, dieStandard.at, 28.1.2013)