Bild nicht mehr verfügbar.

Energethiker sind im Moment der letzte Schrei auf dem Markt der Parawissenschaften.

Belebtes Wasser für Finanzministerin Maria Fekter, strahlenabwehrende Kristalle neben dem Computer für die ehemalige Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Ein esoterisches Amulett um den Hals von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, um negative Energien zu vertreiben. Rutengeher im Auftrag der ASFINAG auf Autobahnen, die unfallträchtige Zonen "entstören" sollen (DER STANDARD berichtete: http://derstandard.at/3124638). "Extra weiches" Toastbrot einer Supermarktkette, das mit Granderwasser hergestellt wurde.

Energiesteine, Wünschelruten, Luftionen, belebtes Wasser – Die Palette parawissenschaftlicher Angebote ist enorm. Abseits der Wissenschaft angesiedelte Erkenntnisbereiche, die weitgehend auf illusionärem Denken beruhen, boomen. Wird der Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben, dann bekommt die Parawissenschaft den Status der Pseudowissenschaft.

Von Randgebieten kann längst keine Rede mehr sein. Parawissenschaften sind allgegenwärtig. "Das ist nichts Exotisches mehr, sondern in der Gesellschaft etabliert", sagt Krista Federspiel, Mitglied des Wissenschaftsrats der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP). Der deutsche Trend- und Zukunftsforscher Eike Wenzel bezeichnet es als "spirituellen Sinnmarkt". Seinen Schätzungen zufolge werden in Deutschland in diesem Segment 25 Milliarden Euro pro Jahr umgesetzt. Bald sollen es ganze 35 Milliarden sein. Zum Vergleich: Der alternativmedizinische Teil umfasst acht Milliarden Euro. Durch zehn dividiert, lässt sich das auf Österreich umlegen, ist Federspiel überzeugt.

Kinder besuchen Energethikerstadt

Das Gewerbe floriert und das überrascht angesichts einer SPECTRA-Studie auch nicht: In den vergangenen drei Jahren stieg der Glaube an übernatürliche Phänomene in Österreich von 65 auf 68 Prozent an. Ein Drittel der österreichischen Bevölkerung ist von übersinnliche Wahrnehmungen und Wunderheilungen regelrecht überzeugt.

Kein Wunder, dass Energethiker gerade der letzte Schrei auf dem Markt der Parawissenschaften sind. Mittlerweile sind rund 14.000 davon in Österreich tätig – praktische Ärzte gibt es knapp 15.000. "Das ist der totale Wildwuchs", sagt Federspiel. Der Beruf des Energethikers wurde von der Wirtschaftskammer zugelassen und ist ein Skandal, wie Federspiel findet. Jeder, der sich dazu befähigt fühlt, kann dieses Gewerbe anmelden und benötigt dafür keine spezielle Ausbildung. Gesetzlich festgelegt ist nur, dass die medizinischen Laien weder diagnostizieren noch therapieren dürfen.

Bereits Kinder werden hierzulande mit Energethikern konfrontiert: Anfang November 2012 besuchten ganze Schulklassen die Energethikerstadt, eine Esoterikmesse, in Wien. Auf Protest der Gesellschaft für kritisches Denken, der Wiener Regionalgruppe der GWUP, hin, riet der Stadtschulrat von einem Besuch ab. "Das kann für das nächste Jahr also hoffentlich verhindert werden", sagt Federspiel.

Kritiker landen vor Gericht

Engagierte Wissenschaftler kämpfen gegen den zunehmenden Einfluss von Parawissenschaften im Alltag. Und stoßen dabei auf einigen Widerstand. Wenn den Herstellern parawissenschaftlicher Produkte die Argumente ausgehen, werden Kritiker auch mal verklagt. Der Wiener Biologe Erich Eder etwa belegte mit wissenschaftlichen Studien, dass die Grander-Technologie, die "unbelebtes" Wasser "beleben" soll, wirkungslos ist. Und wurde deshalb mehrmals vor Gericht zitiert. 2006 kam dann ein Gerichtsbeschluss zu dem Ergebnis, dass Granderwasser als ein "aus dem Esoterik-Milieu stammender, parawissenschaftlicher Unfug" bezeichnet werden kann.

In manchen Fällen endet der Glaube an parawissenschaftliche Phänomene sogar tödlich. Vor zwei Jahren etwa führte P.A. Straubingers Film "Am Anfang war das Licht" über Lichtnahrung zu heftigen Kontroversen (DER STANDARD berichtete: http://derstandard.at/1285042480187/So-wertvoll-wie-ein-kleiner-Fake). Immerhin wurde der Film durch öffentliche Gelder finanziert und erhielt das Prädikat "besonders wertvoll", wodurch der Film auch für Schulvorstellungen zur Verfügung stand. Eine Zuschauerin nahm sich die Lichtnahrung zum Vorbild – und hungerte sich zu Tode. (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 1.2.2013)