Seine Überzeugung, die Götter seien von Menschen gemacht, betrachtet Wilfried Apfalter als ein theologisches Modell für die Beziehung zwischen Gott und Mensch, als eine Art Glaubensbekenntnis.

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Gott und Mensch, Götter und Menschen: eine Beziehung, die seit Menschengedenken existiert und unzählige Kunstwerke, Bauten und Erzählungen hervorgebracht hat, aber auch als Vorwand für Kriege herhalten musste. Während die meisten religiösen Vorstellungen den Menschen als eine göttliche Schöpfung sehen, sind Atheisten vom Gegenteil überzeugt: Es ist Gott oder es sind die Götter, die von den Menschen erschaffen wurden. So lautet jedenfalls die Überzeugung von Wilfried Apfalter, Präsidiumsmitglied der Atheistischen Religionsgesellschaft in Österreich.

Kein Widerspruch

Wenn Apfalter über seine Überzeugungen spricht, drückt er sich präzise und bedächtig aus. Den Einwand, Atheismus sei keine Religion und eine atheistische Religionsgesellschaft somit ein Widerspruch in sich, kann er nicht gelten lassen: "Mir hat noch niemand erklären können, inwiefern das ein Widerspruch sein soll. Das Gegenteil von Atheismus wäre in meinen Augen Theismus, und das Gegenteil von Religion wäre Nichtreligion. Wenn einer religiös ist, ist das Gegenteil von ihm oder ihr jemand, der nicht religiös ist."

Seine Überzeugung, die Götter seien von Menschen gemacht, betrachtet er somit als ein theologisches Modell für die Beziehung zwischen Gott und Mensch, als eine Art Glaubensbekenntnis. Der Philosoph und Zoologe präzisiert: "Natürlich ist das eine Art Glaube, weil ich ja nicht alle Gottheiten kenne und nicht in jedem einzelnen Fall nachprüfen kann, dass es wirklich die Menschen waren, die diese Götter oder Gottheiten erdacht haben. Aber aufgrund dessen, was ich bisher über die Welt erfahren habe, schätze ich einmal, es ist so." Für einen gegenteiligen Beweis sei er jedoch jederzeit offen, betont Apfalter.

Die Atheistische Religionsgesellschaft in Österreich erhebt nicht den Anspruch, für alle Atheisten zu sprechen. Apfalter kann sich gut vorstellen, dass viele Atheisten nicht Teil einer Organisation sein wollen: "Es gibt unterschiedliche Arten von Religion und ganz sicher auch unterschiedliche Arten von Atheismen. Ich gestehe jedem Atheisten zu, mit einer Organisation wie der unseren nichts zu tun haben zu wollen."

Gleichberechtigung

Langfristig geht es der Atheistischen Religionsgesellschaft um eine Gleichberechtigung mit anderen religiösen Anschauungen. Eine solche gesetzliche Anerkennung als Bekenntnisgemeinschaft und in weiterer Folge als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts würde den Atheisten Möglichkeiten der öffentlichen Teilhabe eröffnen. "Wir freuen uns auf die Gleichberechtigung", sagt Apfalter, wohlwissend, dass eine solche Art der Teilhabe Zukunftsmusik ist. Um offiziell als Bekenntnisgemeinschaft anerkannt zu werden, müsste die Atheistische Religionsgesellschaft zumindest 300 Mitglieder zählen. Derzeit fehlen darauf laut der Homepage noch 150 Mitglieder.

Was würde eine solche Gleichberechtigung aber konkret bedeuten? Eine Möglichkeit wäre der staatlich finanzierte konfessionelle atheistische Religionsunterricht. Dazu gibt es laut Apfalter noch keine konkreten Ideen, weil es noch zu früh sei. Aber grundsätzlich gehe es darum, einen respektvollen Umgang mit anderen Anschauungen zu vermitteln und zu lernen, ethisches Handeln selbst zu entwickeln, ohne sich auf sakrosankte Quellen zu berufen.

Rituale und Gemeinschaftserlebnisse

Taufe, Firmung, Hochzeit, Beerdigung: Es sind lebens- und sterbensbegleitende Rituale, die die meisten Religionsgemeinschaften in der einen oder anderen Form praktizieren und nach denen – um es markttechnisch auszudrücken – weltweit nach wie vor Nachfrage besteht. Wie können die Atheisten auf diesem "Markt" mithalten? Apfalter erklärt: "Rituale sind wichtig, sie können sehr entlastend sein, bei einem Todesfall oder wenn man einen neuen Menschen auf der Welt begrüßen möchte oder wenn es etwas zu feiern gibt. Es spricht nichts dagegen, atheistische Rituale zu vollziehen, um ein Gemeinschaftserlebnis zu schaffen."

Ein kostbares Leben

In einem Punkt können die Atheisten im Gegensatz zu etablierten Religionen ihren "Glaubensbrüdern" jedoch keinen Trost spenden, und zwar im Bezug auf das Leben nach dem Tod. Apfalter: "Nach dem Tod ist es aus, glaube ich. Man kann spekulieren, zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung das Bewusstsein entsteht. Aber ich denke, wenn ein Mensch stirbt, lebt er nur noch in Erinnerungen und in den Spuren, die er hinterlassen hat, weiter. Wir haben ein Leben, ein kostbares Leben." (Mascha Dabić, daStandard.at, 29.1.2013)