Schlichtes Ambiente, hoher Anspruch, große Wirkung.

Foto: Gerhard Wasserbauer

In der Speisekammer bringt Koch und Betreiber Roman Steger seine Kreationen selbst zu Tisch.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Roman Steger bekam das gute Essen in die Wiege gelegt: Vater Walter Steger hat mit Wilhelm Holzbauer das legendäre Mattes in der Schönlaterngasse initiiert - jenes Lokal, mit dem Wien ab den späten 1970ern von Richard Hedrich und Reinhard Gerer in die kulinarische Neuzeit gekocht wurde.

Persönliche Idee von gutem Essen

Steger selbst ist Autodidakt. Er begann in Oliver Hoffingers längst verschiedener Kochwerkstatt als Abwäscher und verstand es, sich im Gaumenspiel und im Schon schön mit unprätentiöser - aber keineswegs anspruchsloser - Küche in die Herzen kulinarisch wacher Wiener zu kochen.

Seit vergangener Woche hält er sein eigenes Restaurant "Speisekammer" geöffnet. Es ist ein Souterrainlokal in Wien-Josefstadt, mit nackten Wänden, rohen Holztischen, Industrieleuchten und - sehr bequemen - Plastikstühlen. Insgesamt führt es konsequent vor, mit welch sparsamen Mitteln sich ein Wirtshaus stimmungsvoll ausstatten lässt. Denn die Stimmung ist gut in der Speisekammer, und das liegt nicht bloß an der Küche, der es gelingt, um ziemlich wenig Geld eine sehr persönliche Idee vom guten Essen zu vermitteln.

Einsteigerprogramm

Die Karte ist in drei Menüs aufgeteilt, wobei das erste um 28 Euro für vier Gänge als Einsteigerprogramm konzipiert ist. Nicht dass man deshalb weniger gut äße: Rindsuppe mit Grießknödel etwa ist von einer Tiefe und Klarheit, dass sie einem noch Tage später die Erinnerung zu erwärmen vermag. Aber die überraschenden Kompositionen finden sich doch eher beim Degustations- und, erst recht, im Überraschungsmenü um knapp kalkulierte 45 Euro für sechs Gänge.

Steger kocht gemeinsam mit Simon Siebrath (Ex-Coburg), serviert aber auch. Das mag in Skandinavien seit Jahren üblich sein, in Wien aber trauten sich die Köche bislang nur in wenigen Fällen hinter dem Ofen hervor, und dann meist nur, um nach geschlagener Schlacht den Grüßaugust zu machen. Steger aber will mit dem Gast kommunizieren, die Hintergedanken seiner Kreationen darlegen und nach Möglichkeit Mut machen, sich auf Unbekanntes einzulassen.

Umamikonzentriert

Etwa auf eine hauchdünne, knusprige Pizza, auf der sich hocharomatische Tomatensalsa, gegrilltes Wurzelgemüse und Kürbiskerne mit geräucherter Forelle finden. Klingt eher abenteuerlich, gerät aber auf derart umamikonzentrierte Weise gut, dass man gleich ganz ruhig ist. Oder eine Kokos-Karfiol-Suppe, die an einem frostbeulig kalten Tag auf heiße Art zu erfrischen versteht. Oder einen unglaublich zarten, rosa gebratenen Kalbstafelspitz mit roten Rüben und Mohnkuchen - wieder so eine willkürlich wild anmutende Kombination, die auf wunderbare Weise zusammengehört.

Noch ist nicht alles derart sicher am Punkt - zart poelierter Kabeljau etwa wird von gar wagemutig dazu kombiniertem, mariniertem Rindfleisch eher erschlagen als überhöht. In diesen Momenten kann man sich aber immer noch an den Weinen aus der kleinen, aber verdammt gut zusammengestellten Karte laben. Alles in allem: sehr mutig, sehr erfreulich! (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 1.2.2013)