Wilfried Handls "Blog gegen Scientology" ist eine Anlaufstelle für Aktuelles und Kritik rund um Scientology.

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Handl berichtete auch über einen Artikel in der "Bezirkszeitung".

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Auch immer wieder ein Thema: Sektengründer L. Ron Hubbard ...

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... und Scientologys Drogenentzugsprogramm "Narconon".

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Tom Cruise gehört zu den berühmtesten Sektenmitgliedern, ...

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... ebenso wie John Travolta ...

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... und Kirstie Alley als "Brand Angel" für "Narconon".

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Es sind oft alltägliche und banale Dinge, an denen sich Menschen gestört fühlen und in sozialen Netzwerken zu Taten schreiten. So ist die Herausbildung des Kollektivs rund um Anonymous nichts anderem als der Abneigung gegen die Scientology-Sekte zu verdanken. Im Jahr 2008 hat eine Gruppe von Online-Aktivisten regelmäßige Demos vor Scientology-Zentralen ins Leben gerufen und die Websites der "Kirche" lahmgelegt. Anonymous war geboren. Doch nicht nur das Kollektiv wettert regelmäßig gegen die Sekte.

Einer der bekanntesten Kritiker Europas

Einer, der mit Anonymous viel anzufangen weiß und bis heute regelmäßig an Demonstrationen der Gruppe in ganz Europa teilnimmt, ist Wilfried Handl. Der 59-jährige Wiener ist einer der bekanntesten Scientology-Kritiker Europas. Was Handl so glaubwürdig macht, ist seine eigene Erfahrung mit der Sekte. Handl war 28 Jahre lang Mitglied ihres österreichischen Ablegers, von 1980 bis 1983 leitete er Scientology Österreich. Er wird regelmäßig als Berater für Dokumentationen über Scientology herangezogen, hat selber ein Buch mit dem Titel "Das wahre Gesicht von Scientology" verfasst und nutzt Blog, Twitter und Facebook-Seite, um Informationen über die Sekte an die Öffentlichkeit zu bringen.

Unter Beobachtung

Wie viele Kritiker von Scientology hat Handl mit der Sekte selbst regelmäßig Probleme. So hat das Kollektiv von Anonymous Austria 2012 E-Mails der österreichischen Organisation veröffentlicht, über die Handl regelmäßig bloggte und aus den Mails zitierte. Scientology hat nicht lange gezögert und rechtliche Mittel gegen den 59-Jährigen eingeleitet. Im Juli blitzte Scientology allerdings ab - die einstweilige Verfügung, die Handl an der Veröffentlichung weiterer Mails hätte hindern sollen, wurde in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Wien abgelehnt. Die Klage läuft aber weiter - nächste Tagsatzung ist am 4. April.

Jedes Mittel recht

Die Geschichten rund um Scientology könnten einen vermuten lassen, dass Handl Angst vor der Sekte haben muss. Doch der Ex-Scientologe nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Veröffentlichung brisanter Details und interner Dokumente geht. Von Scientology selbst wird Handl als Feind gesehen und dementsprechend behandelt. So wie andere Kritiker in Europa und den USA hat auch Handl schon Scientologys Umgang mit Kritikern zu spüren bekommen. Auf seiner Website beschreibt er, welche Politik Scientology im Umgang mit "Feinden" betreibt: "Den Feind bis zum Punkt der völligen Auslöschung der Popularität berauben." Und dazu sei der Sekte jedes Mittel recht.

Bestens informiert

Mit mehr als 4.500 Facebook-Fans und der Verlinkung auf über 90 themenspezifische Seiten ist Handls Blog ein regelmäßiger Zwischenstopp für viele, die sich über Scientology informieren möchten. Dabei ist Handl auch im Austausch mit anderen Ex-Scientologen und Kritikern, die er in seinem Blog immer wieder zitiert. Es scheint, als sei er bestens informiert über die Aktivitäten der Sekte auf der ganzen Welt. Auf seiner Facebook-Seite wird informiert und auf aktuelle Blogeinträge hingewiesen. Viele Befürworter der Seite kommentieren dort auch und äußern ihre Zustimmung. Dort sind auch Fotos von Demonstrationen und Veranstaltungshinweise zu finden.

Krise im Anflug?

Liest man Handls Blogeinträge der vergangenen zwei Monate, bekommt man schnell das Gefühl, dass die Sekte in letzter Zeit verstärkt auf eine Krise zusteuert. Scientologys Entzugsprogramm für Suchtkranke namens Narconon, das in den meisten Ländern aufgrund seiner medizinisch unethischen Praktiken verboten ist, gerät regelmäßig unter Beschuss. Aus den USA sind mehrere Todesfälle von Menschen bekannt, die Hilfe bei Narconon gesucht haben und mutmaßlich durch die angewandten Heilmethoden gestorben sind. Über diese Vorfälle und die damit verbundenen Rechtsstreits berichtet Handl regelmäßig - kürzlich etwa im Fall der "Gerichtsschlacht" um den Tod von Patrick D.

Ein Experte

Immer wieder zeigt Handl auch auf, dass sich die Sekte selbst in Widersprüche verwickelt oder vergeblich um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft in diversen Staaten kämpfen muss. Kritisch kommentiert und mit zahlreichen Quellen versehen, versucht Handl hier informative und kritische Berichterstattung zu bringen und dennoch den Charakter eines Blogs einfließen zu lassen. Seine Beiträge sind oftmals mit Humor versehen, worunter die Ernsthaftigkeit und die Relevanz der Themen dennoch nicht zu leiden haben.

Handl beansprucht auch nicht "die Wahrheit" für sich. Er postet immer wieder über Erkenntnisse und Geschichten anderer Ex-Scientologen und Kritiker und verweist auch auf Filme, Dokumentationen und reichlich geschichtliche Hintergrundinformationen. Sektengründer L. Ron Hubbard, dessen Familie und seine gescheiterte Karriere als Science-Fiction-Autor sind ebenfalls ein großes Thema im Blog. Es gibt praktisch wenig, das Handl im Zusammenhang mit Scientology nicht erwähnt.

Image-Probleme

Auch die klassische Berichterstattung nimmt Handl regelmäßig unter die Lupe. So zeigt ein Blogpost von Ende Jänner auf, dass in der "Wiener Bezirkszeitung" ein positiver Erfahrungsbericht mit Scientology zu finden war, verfasst von einer "Kurs-Absolventin". Aus der Online-Ausgabe wurde der Text mittlerweile entfernt. Doch Handl entgeht so schnell nichts, wenn es um Scientology geht. Er zeigt den Usern Screenshots, damit sich diese eine eigene Meinung bilden können. Auch die Auslandspresse ist ihm einige Meldungen wert: In einer Ausgabe des US-Magazins "The Atlantic" hat Scientology zuletzt Advertorials gekauft, die die Sekte ins positive Licht rücken sollten. Eine Verzweiflungstat?

Glaubt man dem Blog von Handl und anderen Kritikern - beispielsweise Tony Ortega -, hat Scientology nicht nur ein Imageproblem aufgrund der Scheidung von Tom Cruise und Katie Holmes. Dem "Unternehmen Scientology" gehe in einigen Staaten das Geld aus, Mitgliederzahlen schrumpfen, hochrangige Mitglieder verlassen die Sekte. Diese und andere Meldungen, die Scientologys Stand dokumentieren, scheinen auf Handls Blog fast so etwas wie erfreuliche Meldungen zu sein.

Gutes Feedback

Für Handl selbst ist der Blog eine Anlaufstelle für alle, die sich informieren wollen. Das Feedback auf seine Einträge sei äußerst positiv. Ihn erreichen E-Mails von Psychologen, Lehrern und Angehörigen zahlreicher anderer Berufsgruppen, die sich mit der Materie auseinandersetzen. "Ich habe etwa 3.000 Zugriffe pro Tag", sagt Handl gegenüber dem WebStandard. Von Scientologen bekommt er keine Mails: "Für die bin ich das Feindbild schlechthin." Die Idee zum Blog kam erst nach der Facebook-Seite. "Eigentlich hat sich das aus der Anon-Geschichte ergeben", sagt Handl und betont, dass er auf Facebook die junge Zielgruppe besser erreichen kann. "Über 90 Prozent sind zwischen 14 und 25." Hier gebe es einfach eine andere Community.

Prognose

Für Scientology selbst sieht Handl schlechte Chancen. Bereits in den 90er Jahren habe man prophezeit, dass "das Internet Scientology das Genick berechen wird". Da er aufgrund seiner hohen Position in der Sekte auch Mitgliederzahlen kennt, ist er überzeugt, dass diese sich seit den 80er Jahren drastisch verringert haben. "Es ist nicht unrealistisch, dass Scientology bis 2015 völlig verschwinden wird", so Handl. Die Sekte sei aufgrund der zunehmenden Berichterstattung und Kritik in schwerster Bedrängnis.

"Ich bin selbst oft erstaunt über den Schneeballeffekt, der durch meine Beiträge entsteht", sagt Handl. Als "Stopptafel" sieht er sich dennoch nicht, denn das sei nicht zu verhindern. Es gehe ihm um Information und die Interpretation gewisser Vorgänge, die bei Scientology stattfinden. (Iwona Wisniewska, derStandard.at, 31.1.2013)