Wien - Die Bawag hat in den Auseinandersetzungen mit der Stadt Linz die Geduld verloren. Sie wirft den Oberösterreichern "Verzögerungstaktik" vor und hat die laufende Mediation "für gescheitert" erklärt. Die Bank lege den Fokus nun auf das gerichtliche Zivilverfahren, bei dem man auf eine rasche Entscheidung setzt. Linz hingegen hält die Schlichtungsversuche nach wie vor für sinnvoll und will vorerst daran festhalten.
Alles oder nichts
In dem Streit geht es um einen Swap, mit dem Linz eigentlich einen Kredit in Schweizer Franken absichern wollte. Tatsächlich hatte das mit der Bawag abgeschlossene Geschäft die gegenteilige Wirkung und führte zu einem Schaden von 417 Millionen Euro. Linz stellte die Zahlungen ein, die Bank klagte darauf den Betrag ein. Für Insider ist klar: Sowohl die oberösterreichische Hauptstadt als auch die Bawag könnten einen Totalausfall nur schwer verkraften. Deshalb war vom Wiener Handelsgericht ja auch eine Lösung im Wege der Mediation angestrebt worden.
Im Wesentlichen geht es um zwei juristische Fragen: 1.) Ist der Swap-Vertrag 2007 ordnungsgemäß zustande gekommen, oder hat die Linzer Finanzabteilung ihre Kompetenz überschritten, womit der Vertrag nichtig sein könnte? 2.) Hat die Bawag die Stadt derart übervorteilt, dass der Kontrakt als sittenwidrig einzustufen ist? Relevant dabei ist der angeblich negative Marktwert des Derivats, der von Anfang an bestanden haben soll und über den die Bawag den Kunden nach oberösterreichischer Lesart nicht aufgeklärt hat.
Die große Unwissenheit in Linz wird von der Bawag naturgemäß angezweifelt. Zudem seien Warnungen wegen einer ungünstigen Wertentwicklung ob der Enns in den Wind geschlagen worden. Auf das Risiko hat ein Linzer Kontrollamtsbericht bereits 2008 hingewiesen. Der Stadt könnten aus dem Vertrag auch Zahlungen erwachsen, heißt es dort.
Gutachterstreit
Die Kontrahenten haben sich in der Zwischenzeit massig mit Gutachten bombardiert. Für Linz koordiniert Universitätsprofessor Meinhard Lukas die Aktivitäten, der nun auch in der Salzburger Spekulationsaffäre für das Land aktiv geworden ist. Zahlreiche andere Experten wurden zurate gezogen, darunter auch zwei Verfassungsrichter oder der Schweizer Bankprofessor Martin Janssen. Letzterer kam zu dem Ergebnis, dass das Geschäft keinerlei Absicherungscharakter habe. "Man hätte ebenso gut auf Schweinebäuche spekulieren können", so Janssen, mit dem Unterschied, dass dann wenigstens ein "Diversifikationseffekt entstanden" wäre. Die Bawag konterte mit einer Expertise eines Frankfurter Professors.
Parallel zur zivilrechtlichen Auseinandersetzung ermittelt die Staatsanwaltschaft Linz wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue. Auf Linzer Seite werden Ex-Finanzdirektor Werner Penn und Finanzstadtrat Johann Mayr (SPÖ) als Beschuldigte geführt - es gilt die Unschuldsvermutung. Zudem wird gegen "unbekannte Täter" im Bawag-Umfeld ermittelt.
Kürzlich legte die Justiz einen Zahn zu und richtete Fragen an die Bank, wer für Zustandekommen, Bewertung und Freigabe des Swaps zuständig war. Als Generaldirektor fungierte damals Notenbank-Gouverneur Ewald Nowotny. Kommunalkredit-Chef Alois Steinbichler war im Vorstand für öffentliche Kunden und Treasury zuständig. Als Bereichsleiter eine Ebene tiefer agierte der heutige OeNB-Bankenaufseher Philip Lincoln S. Reading. (gras, DER STANDARD, 1.2.2013)