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Fechtwaffen vor der Hofburg: Burschenschafter bei einer Gedenkveranstaltung auf dem Heldenplatz in Wien - und auch die Tradition des Balls der Korporierten wird fortgesetzt.

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Die "demokratischen Traditionen", auf die sich Burschenschafter immer wieder berufen, hat es nie gegeben. Seit 1918 waren Burschenschafter an jedem antidemokratischen Putschversuch führend beteiligt - sowohl an Hitlers Marsch auf die Feldherrnhalle als auch am nationalsozialistischen Juliputsch 1934 in Wien.

Burschenschaften waren Wegbegleiter und Wegbereiter von Hitlers Rassen- und Vernichtungspolitik. Schon auf dem Wartburgfest, der legendären Gründungsveranstaltung von 1817, wurde eine Hetzschrift des Heidelberger Professors Jakob Friedrich Fries verlesen, in der gefordert wurde, die "Kaste" der Juden "mit Stumpf und Stiel" auszurotten. Dort fand die erste Bücherverbrennung statt. Auch die zweite wurde von Burschenschaftern inszeniert - 1933 in 63 Städten - tatkräftig unterstützt vom Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund und der SA.

Nazi-Verbrecher nicht ausgeschlossen

Nach Kriegsende wurden nicht einmal die schlimmsten Nazi-Verbrecher aus ihren Burschenschaften ausgeschlossen. Unter jenen Verstorbenen, deren " besonderer Verdienste" einmal im Jahr beim traditionellen Totengedenken gedacht wird, befanden sich Männer wie Ernst Kaltenbrunner, der als Chef des Reichssicherheitshauptamtes zu den zentralen Figuren der nationalsozialistischen Terror- und Tötungsmaschinerie zählte, Irmfried Eberl, Kommandant des Vernichtungslagers Treblinka, oder der KZ-Arzt Hermann Richter, der gesunden Lagerinsassen bei vollem Bewusstsein Organe entnahm, um beobachten zu können, wie lange die Gefolterten ohne diese überleben konnten.

Bis heute haben sich die deutschnationalen schlagenden Verbindungen aus der NS-Tradition nicht gelöst. Bis heute gilt der in den Waidhofener Beschlüssen festgeschriebene "Arierparagraph". Und: "Das Deutsche Reich ist 1945 nicht untergegangen und besteht unverändert fort", heißt es in einem 2005 erschienenen Handbuch der "Deutschen Burschenschaften", die Wiener "Teutonia" führt heuer den Vorsitz der Deutschen Burschenschaften.

Mehr als 40 Jahre nach Kriegsende hat der Dachverband "Deutsche Burschenschaft in Österreich" Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen.

Beispiel "Olympia"

Wo die Burschenschaften heute noch stehen, zeigt das Beispiel der "Olympia", der nicht nur der Dritte Nationalratspräsident, sondern darüber hinaus zahlreiche führende Politiker der FPÖ angehören. Die Olympia bietet Studenten billigen Wohnraum, billiges Bier und verspricht politische Protektion, um sie danach in "Bildungsveranstaltungen" mit Antisemiten, Holocaust-Leugnern und rassistischen Brandrednern wie David Irving, Jürgen Schwab, Bruno Hass, Herbert Schaller oder Rolf Kosiek zusammenzubringen.

Prominente Olympen wie Norbert Nemeth, Klubdirektor der FPÖ im Parlament, haben mehrfach versucht, Gottfried Küssel Schützenhilfe zu leisten, unter anderem in einer Festschrift der Olympia unter dem Titel Wider die Gesinnungsjustiz. Die Internet-Zeitung unzensuriert, die Martin Graf als Autor führt, veröffentlichte im April 2011 einen in eindeutigem Jargon gehaltenen Aufruf "Freiheit für Küssel" und "Freiheit für alle politischen Gefangenen".

Die von der Olympia-Mitgliedern mitveranstalteten "Sturmadler" -Sommerlager, die der Jugend "deutsche Werte" vermitteln sollen, finden unter dem Symbol der Tyr-Rune statt, die einst von SS und SA verwendet wurde und auch Symbol der Reichsführerschulen war. Der Leitsatz des Camps "Jugend führt Jugend" und die Sinnsprüche im "Sturmadler-Kalender stammen von Nazi-Poeten wie Georg Stammler, Verfasser des "Jungdeutschen Führerbuchs".

Neonazistische Liedermacher

Womöglich noch verräterischer sind die Namen der "Unterhaltungskünstler" , die zu Festen der Olympia geladen wurden. Dazu zählen der mittlerweile verstorbene neonazistische Liedermacher Michael Müller, der den Udo-Jürgens-Song Mit 66 Jahren ... antisemitisch umgedichtet hat. Dazu zählt der neonazistische Liedermacher Jörg Hähnel, der als NPD-Abgeordneter in der Bezirksversammlung Berlin Lichtenberg den Antrag gestellt hatte, einen nach einem Widerstandskämpfer benannten Platz umzubenennen - nach dem Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Dazu zählt nicht zuletzt der für seine Hitler- und Hess-Balladen berüchtigte NPD-Funktionär Frank Rennicke. Wenige Wochen vor seinem Auftritt bei der Olympia hatte dieser ein Benefizkonzert für das neonazistische Mördertrio von Zwickau gegeben, dem mindestens zehn Morde zur Last gelegt werden. Am Tag nach seinem Auftritt bei der Olympia war er Gast am WKR-Ball in der Hofburg.

Burschenschaften sind es, die den Neonazismus in Österreich am Leben erhalten. Ohne Vordenker aus dem akademischen Milieu wäre dieser längst zur Folklore Ewiggestriger oder zu einer zahlenmäßig unbedeutenden kriminellen Subkultur verkommen. Dass sich in Österreich kein Staatsanwalt findet, der Ermittlungen gegen Burschenschaften wie die Olympia wegen des Verdachts nationalsozialistischer Wiederbetätigung einleitet, ist Rechtsverweigerung.

Die Verantwortlichen der Hofburg-Betreibergesellschaft aber sollten endlich aufhören, die politische Brisanz dieses Balles herunterzuspielen und sich ihrer Verantwortung gegenüber der Republik bewusst werden. Die alljährlichen Proteste sowie die dadurch ausgelösten internationalen Medienberichte lassen sich nur eindämmen, wenn die- ses von der Wiener FPÖ veranstaltete Treffen brauner Geschichtsfälschern, Rechtsextremisten und Neonazis an einen weniger symbolträchtigen Ort verlegt wird. (Hans-Henning Scharsach, DER STANDARD, Printausgabe, 1.2.2013)