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Eine Million Unterschriften gegen Saakaschwili: Protestkundgebung vor dem Präsidentenpalast in Tiflis.

Foto: REUTERS/David Mdzinarishvili

Tiflis/Istanbul - Georgier und Russen reden wieder. Über Saperavi, Tavkveri oder Tsitska. Der Chef der staatlichen georgischen Weinbehörde reiste am Montag nach Moskau, um viereinhalb Jahre nach dem Krieg ein Ende des Handelsembargos zu verhandeln.

Mit georgischen Rebsorten sind die Russen bestens vertraut. Schließlich war Georgien zu Sowjetzeiten die Küche der Genossen. Seit der Milliardär und Unternehmer Bidsina Iwanischwili die einstige Sowjetrepublik regiert, stehen die Zeichen auf Normalisierung mit dem bedrohlichen Nachbarn.

"Es gibt keine Alternative zum Dialog", sagte auch Maia Pandschikidse, die georgische Außenministerin, bei der Sicherheitskonferenz in München am vergangenen Wochenende. Die Aussöhnung werde gleichwohl nie vollkommen sein, so lange Russland Georgiens Provinzen Abchasien und Südossetien besetzt halte.

Sexvideo-Skandal

Vergleichbar Maßvoll-Nüchternes hören die Georgier in der Innenpolitik ihres Landes kaum. Seit Iwanischwilis Wahlsieg im Oktober 2012 wird unerbittlich mit dem alten Regime von Staatspräsident Michail Saakaschwili abgerechnet. Der nächste Schlagabtausch steht Freitag an. Dann tritt er vor das Parlament zur traditionellen Rede des Präsidenten. Alles, bis kurz vor Ausrufung von Notstand und Gegenrevolution, scheint dann möglich.

Der Sieg der von Iwanischwili finanzierten Parteienkoalition "Georgischer Traum" im vergangenen Herbst war als historischer Sieg für die Demokratie im postsowjetischen Raum gefeiert worden. Erstmals war im prowestlich orientierten Georgien ein Machtwechsel durch Wahlen gelungen. Die "Kohabitation" von Präsident und Premier aus gegnerischen Lagern könnte ein Beispiel werden, hatten sich georgische Politiker und westliche Diplomaten in Tiflis gegenseitig versichert.

Geworden ist daraus bisher nichts. Der frühere Innenminister ist in Haft, der Justizminister in Abwesenheit verurteilt. Und beim Bürgermeister von Tiflis waren die Ermittler: Ein Sexvideo-Skandal bringt das alte Regime in Verlegenheit. Notorische Lügner nannte Iwanischwili dieser Tage wieder die Parteimänner des Präsidenten. "Wir werden keine vier Jahre warten", antwortete Vano Merabischwili, der frühere Premier und Generalsekretär der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM); Iwanischwilis Regierung könne unmöglich die volle Amtszeit an der Macht bleiben.

Mandatsende im Oktober

Bis Oktober läuft dagegen noch Saakaschwilis Mandat. Seine Gegner bezweifeln das. Eine Million Unterschriften sollen Ende Jänner für die Ablösung des Präsidenten gesammelt worden sein. Saakaschwili habe durch einen Trick seine zweite Amtszeit verlängert, hieß es; sie wäre normalerweise am 20. Jänner zu Ende gewesen. Doch auch im Kabinett von Iwanischwili rumort es: Seinem Koalitionspartner, Verteidigungsminister Irakli Alasania, nahm er das Amt des Vizepremiers ab. Der hatte mit seiner Partei schon Pläne für die Präsidentenwahl gemacht. (Markus Bernath, DER STANDARD, 5.2.2013)