Linz/Wien/Graz - Die Kritik am Verfassungsschutz - in Oberösterreich, aber auch auf Bundesebene - reißt in diesen Tagen nicht ab. Nach dem Auffliegen einer Neonazi-Gruppe vor einer Woche, die einen Bauernhof im oberösterreichischen Desselbrunn gemietet und gemeinsam mit anderen Kriminellen massenhaft Waffen und Sprengstoff gebunkert hatte, muss sich das Landesamt für Terrorismusbekämpfung weiter unangenehme Fragen gefallen lassen.

Etwa, weil Beamte, die gegen Rechtsextreme in Oberösterreich ermitteln, selbst weit rechts stehen sollen. Einer soll zumindest ein Naheverhältnis zur rechtsextremen Burschenschaft Arminia Czernowitz haben, einer Mitorganisatorin des umstrittenen Burschenbundballs in Linz. Er soll sich öffentlich gegen das NS-Verbotsgesetz ausgesprochen haben - DER STANDARD berichtete. Gerade in jenem Bundesland, in dem rechtsextremistische Straftaten in den letzten Jahren nachweislich zunahmen, ist das doppelt unangenehm für die Staatsschützer. Die Polizei weist alle Vorwürfe entschieden zurück.

"Böcke als Gärtner"

"Wie es aussieht, hat das Innenministerium Böcke zu Gärtnern gemacht", vermutet der Vorsitzende des Mauthausen Komitees Österreich (MKÖ), Willi Mernyi. Dazu passe auch, dass sich die Neonazis in Desselbrunn gegenüber ihrem Vermieter, Erich Ruzowitzky, mit ihren guten Kontakten zur Polizei gebrüstet hätten.

Das MKÖ fordert lückenlose Aufklärung, denn, so warnt Mernyi: "Wenn auch nur ein Teil der Vorwürfe stimmt, sind die Zustände im österreichischen Verfassungsschutz so katastrophal wie im deutschen."

Der Verein "Objekt 21" aus Desselbrunn war wegen einschlägiger Aktivitäten Anfang 2011 behördlich aufgelöst worden, vor Gericht gestellt wurde seit damals aber keiner der Männer. Nicht Verfassungsschutzbeamte, sondern "normale" Polizisten hatten schließlich die Festnahmen der Verdächtigen, allerdings wegen anderer Delikte wie Brandanschläge, Drogen- und Waffenhandel, Raub oder Körperverletzung, vorgenommen.

Unzufriedene Ministerin

Dass nicht der Verfassungsschutz die Neonazis dingfest machte, dazu nahm vor drei Tagen auch der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Peter Gridling, in einem Radiointerview in Ö1 Stellung. Gridling wurde auch zu Aussagen eines seiner Beamten im Prozess gegen Gottfried Küssel und ebenfalls beim Prozess zutage getretenen Wissenslücken einer Spitzenbeamtin befragt. Er zeigte sich aber trotz der jüngsten Ermittlungspannen insgesamt "zufrieden" mit der Arbeit seiner Beamten.

Nicht ganz so zufrieden dürfte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit der aktuellen Performance ihrer Verfassungsschützer sein. Wie der Standard aus gut unterrichteten Kreisen erfuhr, wurden in den letzten Tagen Beamte ins Ministerium zitiert, wo ihnen "der Kopf gewaschen" wurde. Auch über eine Ablöse Peter Gridlings kursieren intern Gerüchte. Das Ministerium bestätigte diese Spekulationen auf Nachfrage des STANDARD freilich nicht.

In Oberösterreich wird der Landessicherheitsrat, in dem neben den Landesregierungsmitgliedern auch die Vorsitzenden der Blaulichtorganisationen sitzen, statt wie geplant am 25. Februar am 4. März zur aktuellen Lage beraten.

Die SPÖ in Oberösterreich zeigt sich erfreut, dass ihr Antrag auf Schaffung eines neuen "umfassenden Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus" von den im schwarzen Land mitregierenden Grünen mitgetragen wird. Man hoffe, "dass die Grünen auch endlich ihren Koalitionspartner ÖVP mit ins Boot holen können", heißt es aus dem roten Landtagsklub. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 5.2.2013)