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Tritt Windows 8 in die erfolgreichen Fußstapfen des Vorgängers, oder ist ihm ein Schicksal wie Windows Vista beschieden?

Foto: ap

Den gestrigen Tag miteingerechnet, ist Microsofts jüngstes Betriebssystem Windows 8 nun seit 100 Tagen auf dem Markt. Während man sich in Redmond demonstrativ zufrieden zeigt und Finanzchef Tami Reller gegenüber The Verge von einem "wirklich soliden Start" spricht, bedarf die tatsächliche Situation einer vielschichtigeren Betrachtung.

Keine genauen Zahlen bekannt

Bezüglich konkreter Verkaufszahlen hat sich der Konzern bisher wortkarg gegeben. Zu erfahren war nur, dass man bislang über 60 Millionen Lizenzen verkauft hat. Das liegt ungefähr auf dem Niveau der Anfangszeit von Windows 7, welches jedoch wesentlich teurer angeboten wurde.

Auch verrät Microsoft nicht, wie viele der Lizenzen in Form von Upgrades, als Neukäufe oder im großen Stil von OEMs erworben wurden. Damit ist auch keine Aussage darüber möglich, wie viele davon derzeit aktiv genutzt werden. Microsoft Österreich sagte zum Erfolg des Systems lediglich, dass man "klar über dem Budget" liege und zur vollständigen Beurteilung einen längeren Beobachtungszeitraum benötige.

Probleme bei Hardware-Verfügbarkeit

Ein Eckpfeiler neuer Windows-Versionen ist traditionell die Hardware. Hier war die Lage nach dem Launch eher düster. Viele Geräte waren lange nicht verfügbar, insbesondere neue Gerätetypen wie Convertibles und Tablets ließen auf sich warten.

Nach den ersten Berichten über einen schwachen Start gab es gegenseitige Anschuldigungen. Microsoft war den Hardwareherstellern vor, zu langsam zu sein. Diese. Insbesondere Acer, konterten damit, dass Windows 8 die Kunden nicht ansprechen würde.Fakt ist, dass auch Microsoft selbst relativ lange benötigte, um das selbst hergestellte Surface-Tablet breit verfügbar zu machen.

Die RT-Ausgabe des Gerätes hat vielen Ländern das Weihnachtsgeschäft verpasst und ist in Österreich erst ab Mitte Februar zu haben. Immerhin, die Pro-Version mit Intel-Hardware könnte, wie man aus unternehmensnahen Kreisen hört, hierzulande noch im Laufe des Frühjahrs starten.

Umstrittene "Windows 8 UI"

Ein weiterer Faktor ist natürlich der Umbau des Systems selbst. Unter der Devise "Touch First" hat sich Microsoft an einem radikalen Bruch versucht. Das dominierende Interface ist nun nicht mehr der klassische Desktop, sondern die aus Kacheln aufgebaute "Windows 8 UI" (vormals "Metro").

Was auf Geräten mit Touchscreen durchaus Sinn macht, wurde von vielen Anwendern auf traditionellen Desktops oder Laptops nicht goutiert. Kritisiert wird, dass die neue Oberfläche mit der Maus umständlich zu bedienen ist. Das Hin- und Herwechseln, etwa beim Verändern mancher Systemeinstellungen oder dem Aufruf von normalen Desktop-Programmen, wird von manchen als verwirrend empfunden. Andere wiederum attestieren dem Konzept gute Funktionalität, wenn man sich einmal daran gewohnt hat.

Vermisster Startbutton

Den Kritikern geht auch das klassische Startmenü ab. Bei der Entwicklung von Windows 8 wurde der lange Zeit als zentrales Bedienelement fungierende Knopf schrittweise und ersatzlos gestrichen. Erhebungen sollen gezeigt haben, dass die User es ohnehin immer weniger verwenden würden. Damit hat Microsoft eine Lücke geschaffen, die nun von freier und kommerzieller Software besetzt wird, die eben jene Funktionalität nachreicht.

Mitte Januar gaben die Entwickler des Startmenü-Ersatzes Pokki bekannt, dass ihre Software mittlerweile 1,5 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Auch die Beliebtheit der Open Source Software Classic Shell ist seit dem Release von Windows 8 sprunghaft angestiegen.

Wurde das Tool vor dem Oktober pro Release im besten Fall 150.000 Mal downgeloaded, schaffte es die Ausgabe 3.6.2 – sie erschien zwei Tage nach Windows 8 – bereits auf 740.000 Downloads. Die aktuellste Fassung, 3.6.5 überschreitet bald die Millionenmarke. Nicht gezählt sind Zugriffe auf Downloadarchive, die das Programm über ihre eigenen Server anbieten.

Zuviele Unbekannte

Ein klares Fazit darüber, ob Windows 8 ein Erfolg wird, oder in die unrühmlichen Spuren von Vista tritt, lässt sich auch nach 100 Tagen noch nicht ziehen. Noch fehlen detaillierte Zahlen und noch gibt es einige unbekannte Nenner, die in der Gesamtrechnung eine wichtige Rolle spielen könnten. Etwa: Was passiert langfristig mit Windows RT? Die ARM-basierte Umsetzung von Windows 8 kommt auf einigen Tablets zum Einsatz, leidet aber unter einem Mangel an Apps.

Unklar ist auch, ob und wann es auch kleinformatige Tablets, also Sieben- und Achtzöller, mit Windows geben wird. Abzuwarten ist auch, wie sich die Preiserhöhung bei Neukauf oder Upgrade von einer früheren Windows-Version, die seit Anfang Februar in Kraft ist, auf den Absatz auswirken wird. Und last but not least könnte Microsoft dieses Jahr auch noch "Windows Blue" launchen, mit dem das Betriebssystem auf eine jährliche Update-Schedule umgestellt werden soll. Ein Projekt, über das man in Redmond aber offiziell noch nicht spricht. (red, derStandard.at, 05.02.2013)