Nach der Bekanntgabe der Aufdeckung des größten Wettskandals der Fußballgeschichte durch Europol werden auch über Spielmanipulationen in Österreich Details bekannt. Wie die aktuelle Lage einzuschätzen ist und wie Fußballer zur Spielmanipulation verführt werden, erzählt Klaus Federmair vom "ballesterer", dem Magazin für offensive Erweiterung des Fußballhorizonts.

derStandard.at: Was bedeutet die Europol-Aktion für den internationalen Fußball und wie sind die Ermittlungen einzuschätzen?

Federmair: Es geht ja nicht um einen konkreten Fall, sondern um hunderte Spiele sowie die Netzwerke dahinter und die Verbindungen zum organisierten Verbrechen. Man darf das aber auch nicht zu mathematisch sehen, denn in den vergangenen Jahren wurden immer wieder Fälle bekannt. So gab es etwa in Deutschland und der Türkei mehrere Verfahren, bei denen es auch zu Verurteilungen kam. Möglicherweise überlappt sich das und wird in die jetzigen Zahlen hineingerechnet.

derStandard.at: Auch in Österreich gibt es seit längerem Ermittlungen. Welche Auswirkungen hat die jetzige Europol-Aktion?

Federmair: Schon bei den Urteilen aus Deutschland wurde auf Verbindungen nach Österreich hingewiesen. Allerdings hat es bisher keine Sanktionen gegeben. Ich bin kein Experte in Angelegenheiten der Staatsanwaltschaft, aber die Ermittlungen in Österreich ziehen sich schon sehr lange, was sicher mit der Komplexität der Fälle zu tun hat. Europol will mit der jetzigen Aktion vielleicht auch den Druck erhöhen. Für Österreich heißt das: Wer Spiele schieben will, soll mitbekommen, dass sich auch hier etwas tut.

derStandard.at: Es wird immer von einem Syndikat in Singapur gesprochen. Handelt es sich da tatsächlich um eine kleine Gruppe, die alle Fäden zieht?

Federmair: Darüber lässt sich nur spekulieren. Aber einer, der sich viel besser auskennt, ist der Kanadier Declan Hill. Er hat vor einigen Jahren in seinem Aufdeckerbuch "The Fix" behauptet, dass es nur eine Handvoll großer Namen in der Szene gibt und diese über alles bestimmen. Das klingt schon ein bisschen nach Verschwörungstheorie. Für das Manipulations-Special des "ballesterer" habe ich Hill im vergangenen Oktober interviewt. Damals meinte er, dass sich die Szene schon gewandelt und mehr aufgesplittert habe.

derStandard.at: Wie kann man sich das "Anfüttern" von Spielern in der Praxis vorstellen?

Federmair: Ich hatte bisher nur zu zwei in Österreich tätigen Spielern Kontakt, die beide aber derartige Angebote abgelehnt haben. Wie Declan Hill berichtet, sind das üblicherweise sehr langwierige Prozesse. Es werden Freundschaften mit den Spielern aufgebaut. Vor allem zu jenen, die im Wettmilieu aktiv sind. Dann gibt es kleinere Geschenke oder es werden Schulden bezahlt. Einer der bekanntesten Fälle aus Deutschland ist René Schnitzler, der früher beim FC St. Pauli gespielt hat und dessen Erfahrungen in einem Buch veröffentlicht wurden. Schnitzler war schwer spielsüchtig - und solche Fußballer sind natürlich leichte Opfer. (Martin Obermayr, derStandard.at, 5.2.2013)