Was immer die Staats- und Regierungschefs der EU an diesem Wochenende als Einigung auf einen Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020 auch verkünden werden: Fix ist daran nix. Denn gegenüber früheren derartigen mittelfristigen Budgetplanungen in den Jahren 1999 und 2005 gibt es diesmal andere vertragliche Grundvoraussetzungen. Das Europäische Parlament muss dem Vorschlag des Rates zustimmen. Es darf zwar nicht direkt mitverhandeln. Aber es könnte am Ende einfach Nein sagen zu einem Budgetrahmen, der ihm als zu klein erscheint für all die Aufgaben in den kommenden Jahren, jenseits der klassischen Agrarpolitik und Regionalförderung. Ohne Zweifel handelt es sich von den nackten Zahlen her um ein Sparbudget. Erstmals überhaupt soll die Union weniger ausgeben als in der Budgetperiode zuvor. Innovation soll gemeinsam weiterhin nur im Minimaßstab gefördert werden.

Das wirkt schon auf den ersten Blick etwas schief, nicht nur weil die EU seit 2004 bedeutend mehr Mitglieder hat, sondern weil sie erklärtermaßen ja auch in der Welt durch eine bessere gemeinsame Außen- und Außenhandelspolitik eine stärkere Rolle spielen will.

Wie soll das alles aber gehen, wenn der EU-Etat kleiner wird statt größer und die Union - anders als die Mitgliedsstaaten - auch keine Schulden machen darf? Das ist der erste Widerspruch. Wie soll man neue, große transeuropäische Projekte vom Klimaschutz bis zu Energieerneuerung und Glasfaserleitungen vorantreiben, wenn das Budget dafür kaum Mittel einplant?

Darauf dürften die Staatenchefs keine überzeugenden Antworten geben. Der Grund dafür ist relativ einfach erklärt. Die in der Debatte dominierenden Nationen - Deutschland und Großbritannien - haben von Anfang an vorgegeben, worum es vor allem geht: um die Verkleinerung von Budgetzahlen, damit man das zu Hause als angeblich überall dringend nötiges Sparen verkaufen kann.

Damit aber wurde ein Verhandlungsmechanismus in Gang gesetzt, der vor allem auf Bewahrung der Besitzstände hinausläuft. Jedes Land konzentrierte sich darauf, möglichst nichts oder wenig zu verlieren, anstatt zu überlegen, welche Projekte für alle einen Mehrwert darstellen könnten. Eine der ganz wenigen Ausnahmen ist die Schaffung eines europäischen Topfes zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Ein halbe junge Generation steht in Teilen Europas ohne Job auf der Straße. Die EU wirft für sie sechs Milliarden Euro in die Schlacht um Schaffung von Arbeit. Das entspricht in etwa der Summe, die sich einzelne Staaten (und Österreich) zusätzlich sicherten, um bei der Förderung der ländlichen Entwicklung nicht allzu viel zu verlieren. Das Gießkannenprinzip bei den EU-Subventionen blebt erhalten.

Damit wurde der Ansatz, den die EU-Kommission bei ihrem Vorschlag im Juni 2011 ursprünglich eingeschlagen hatte, ins Gegenteil verkehrt. Die Kommission als Vertreterin der Gemeinschaftsinteressen verband mit ihrem Budgetplan vor allem ein inhaltliches Ziel. Die Agrarpolitik sollte zum Beispiel substanziell reformiert werden, viel stärker in Richtung Umwelt und Nachhaltigkeit, weg von den großen traditionellen Flächenprämien. Die Regionalförderung sollte stärker zum Wirtschaftsförderungsinstrument umgemodelt werden, das der Schaffung von Wettbewerbsfähigkeit dient, der Stärkung der Städte auch. Man wollte weg von Geldgeschenken aus Brüssel, hin zur Ankurbelung von Unternehmertum. Und so weiter.

Das hätte es aber erfordert, dass die EU-Staaten solche substanziellen Reformen in der Europapolitik überhaupt wollen und entsprechend finanzieren. Jede Strukturreform kostet zunächst (Budget-)Geld, wie auf den nationalen Ebenen. Dafür fehlt aber der Wille. Also macht man zunächst einmal so weiter wie bisher. Ein sehr konservativer Budgetansatz, den die versammelten Regierungschefs da wählen.

Aber, wie gesagt: Fix ist nix, und man muss auch dazusagen, dass es einen innovativen Ansatz gibt, der den künftigen EU-Budgetvollzug möglicherweise deutlich besser macht als bisher. Das Schlagwort dafür heißt Flexibilität. Im Gegenzug zu den Streichungen bei den Beträgen wollen die EU-Staaten dem EU-Parlament in Zukunft stärker erlauben, zwischen einzelnen Budgetposten hin und her zu schieben, Beträge, die in einem Jahr "nicht abgeholt werden", auf spätere Jahre zu übertragen. Die Folge wäre: Mittel könnten effizienter verwendet, die Rückflüsse an die Staaten verkleinert werden. Das wäre insgesamt begrüßenswert und würde das Spardiktat nachträglich wieder etwas abschwächen.

Aber: Auch das ist nicht garantiert. Auch dafür braucht es erst noch Verhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament. Die werden Monate dauern, bis im Detail alles in Rechtstexte gegossen ist. Erst dann wird man definitiv wissen, was der neue Finanzrahmen "wert" ist. (Thomas Mayer, derStandard.at, 8.2.2013)