"Unser Glaube in die Revolution tötet jede Drohung", ließ Hamdin Sabahi am Freitag über Twitter verlauten. Die ägyptische Opposition werde weiter friedlich für die Vollendung der Revolution kämpfen. Sabahi vom linken Volkstrend ist zusammen mit Mohammed ElBaradei ins Visier eines ex tremistischen Salafisten-Scheichs geraten. Als Reaktion hat die Regierung Sicherheitskräfte vor den Häusern prominenter liberaler Politiker postiert.

Am Dienstag hatte Mahmud Shaban, Rhetorikprofessor an der Al-Azhar-Universität, in einem TV-Sender erklärt, die Führer der oppositionellen Rettungsfront würden unter der Scharia eigentlich die Todesstrafe verdienen, und nannte dabei Sabahi und ElBaradei – das ist wie eine Lizenz zum Töten. Der Mord am tunesischen Regierungskritiker Chokri Belaid schrillte für die ägyptische Opposition wie eine Alarmglocke. Und die Tatsache, dass Shaban nicht verhaftet wurde, sei ein Beweis dafür, dass Ägypten kein Rechtsstaat sei.

Kritik und Distanzierung

Shaban spricht aber nicht für alle Salafisten. Viele haben sich von seinen Äußerungen distanziert – auch seine Uni, die ihn an den Disziplinarausschuss verwiesen hat und eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erwägt. Aber in einem Land mit Millionen ungebildeter Menschen sind solche Aufrufe zu Gewalt extrem gefährlich. Sie verbreiten sich auch wie ein Lauffeuer. Die Regierung hatte sich mit einer Reaktion Zeit gelassen, und erst am Donnerstag meldete sich Präsident Mohammed Morsi zu Wort: Gewalt zu schüren sei Terrorismus und habe mit Religion nichts zu tun.

Der Mordaufruf hatte zur Folge, dass sich weit mehr Gruppierungen als geplant den Freitagsprotesten anschlossen. Auf dem Tahrir-Platz war auf einem Transparent zu lesen, die Muslimbrüder seien ebenso für den Tod von Belaid in Tunesien verantwortlich wie in Ägypten für den Tod von "GT" und "Kristi" – zwei kürzlich getötete Aktivisten.

In vielen Städten verlangten Protestierende neuerlich eine Regierung der Nationalen Einheit. Tausende skandierten drei Tage vor dem zweiten Jahrestag von Hosnis Mubaraks Fall erneut: "Das Volk will den Sturz des Regimes!" (Astrid Frefel aus Kairo /DER STANDARD, 9.2.2013)