Wien - Das Stift Kremsmünster in Oberösterreich hat seit Bekanntwerden der Missbrauchsvorwürfe gegen Ordensangehörige 2010 mehr als 700.000 Euro, davon 200.000 Euro an Therapiekosten, an Opfer gezahlt. Wenn möglich, will man Rückforderungen an den Hauptbeschuldigten Ex-Pater, dem eine Anklage droht, stellen. 38 Betroffene haben sich bei der Klasnic-Kommission gemeldet. Im März will man eine externe wissenschaftliche Aufarbeitung starten. Diese Bilanz zogen Abt Ambros Ebhart und der Pressesprecher des Stiftes, Pater Bernhard Eckerstorfer, am Montag in Kremsmünster.

Die Zahl der Opfer ist nicht ganz exakt festzustellen: 38 haben sich bei der Klasnic-Kommission gemeldet, davon 29 wegen sexuellen Missbrauchs. Fünf weitere sollen bei der Staatsanwaltschaft aktenkundig sein, aber nicht bei der Kommission. Vier Personen haben sich im Stift gemeldet, die bereits in den 1950er-Jahren Opfer von Übergriffen geworden sind. 45 hatten sich gleich nach Bekanntwerden der Vorwürfe an die Diözesane Kommission gegen Missbrauch und Gewalt gewandt. Diskrepanzen in den Zahlen seien vor allem mit Doppelnennungen, aber auch mit aus Datenschutzgründen teilweise nur spärlichen Angaben bei manchen Personen zu erklären, hieß es in der Pressekonferenz.

Ein Ex-Pater im Visier der Justiz, zwei Verfahren eingestellt

Der Großteil der Fälle stamme aus den 1970er bis 1990er-Jahren und werde jenem mittlerweile ausgetretenen Ordensmann angelastet, gegen den noch ein Strafverfahren läuft, so der Abt. Darüber hinaus wurden noch zwei weitere Patres beschuldigt. Die Verfahren gegen sie hat die Justiz bereits eingestellt. Gegen einen läuft noch ein kirchenrechtliches Verfahren, gegen den anderen hat Rom interne Auflagen verfügt. Der über 80-Jährige lebt jetzt zurückgezogen im Kloster. Die Fälle aus den 1950er-Jahren werden drei bereits verstorbenen Patres angelastet.

"Er (der Hauptbeschuldigte, Anm.) hat uns das verheimlicht", beteuerte der Abt, von den Vorfällen nie etwas mitbekommen zu haben. Als 2008 gegen den heute 79-Jährigen ein Strafverfahren lief, das später wegen Verjährung eingestellt wurde, habe der Ex-Pater das ebenfalls verschwiegen. Auch davon, dass er eine nicht registrierte Pumpgun besaß und Schülern gegenüber die Waffe öfter drohend erwähnt haben soll, sei Ebhart nichts bekannt gewesen. Als er das erfahren habe, habe er den Mann zur Rede gestellt und Anzeige erstattet, erklärte der Abt.

"Unterschiedliche Wahrnehmungen"

Dass der pädophile und wegen Mordes verurteilte, mittlerweile verstorbene Kinder- und Jugendpsychiater Franz Wurst in den 1970er-Jahren in Kremsmünster gearbeitet hat, bestätigte der Abt. Damals habe der Kärntner einen guten Ruf genossen, so Pater Bernhard Eckerstorfer, seine "Schandtaten" seien erst später bekannt geworden. Es habe allerdings kein Opfer angegeben, von Wurst missbraucht worden zu sein.

Beide Geistliche betonten, wie wichtig Aufklärung sei, weil es über die fragliche Zeit in Kremsmünster "so viele unterschiedliche Wahrnehmungen" gebe. Man müsse klären, wieso niemand etwas bemerkt habe und Gerüchten zu wenig nachgegangen worden sei. "Diese Frage stelle ich mir oft", so der Abt.

Am 1. März soll daher eine wissenschaftliche Aufarbeitung starten, die auch die Zeit ab 1945 mit einbezieht. Dazu will das Kloster mit dem Münchner Institut für Praxisforschung und Projektbearbeitung, das auch mit den Missbrauchsfällen im deutschen Kloster Ettal befasst war, zusammenarbeiten. Der Prozess soll eineinhalb Jahre dauern und wurde bewusst erst nach Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gestartet, so die Vertreter des Stiftes Kremsmünster. (APA, 11.2.2013)