Innsbruck - Bereits vor mehreren Jahren entdeckte ein Team um den nunmehrigen Leiter des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien, Josef Penninger, mit dem Protein RANKL (RANK-Ligand) eine körpereigene Substanz, welche massiv in den Knochenstoffwechsel eingreift. Mittlerweile wird das Protein auch mit vielen anderen Körperfunktionen in Verbindung gebracht. Ein internationales Forscherteam um Stefan Kiechl von der Neurologischen Universitätsklinik der MedUni Innsbruck entdeckte jetzt, dass RANKL auch bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes eine Rolle spielen dürfte. Es aktiviert den relevanten "Entzündungsschalter" in der Leber, wodurch das Hormon Insulin seine Wirkung verliert.

RANKL und Knochenschwund

Zunächst war RANKL ein heißes Eisen in der Osteoporoseforschung. Der Ligand, der am RANK-Rezeptor bindet, steuert nämlich die Ausreifung und Aktivierung von Knochenfresszellen (Osteoklasten). Die Hemmung von RANKL mit dem monoklonalen Antikörper Denosumab gilt seit einigen Jahren als wirkungsvollste Therapie bei krankhaftem Knochenschwund. Das Medikament wird auch zunehmend zur Verhinderung von Knochenmetastasen bei Krebs eingesetzt.

Bereits 2009 wurde am IMBA entdeckt, dass RANK bzw. RANKL auch eine Rolle bei der Regulierung der Körpertemperatur besitzen. Bekannt ist seit 2010, dass Denosumab eventuell zur Behandlung von Riesenzell-Tumoren geeignet sein könnte. Erst 2011 wurde in einer Studie von Penninger und Co-Autoren erkannt, dass RANKL im Rahmen der Entstehung von Mammakarzinomen das Wachstum und die Teilung von Brustdrüsenzellen anregt. Möglicherweise könnte eine Blutuntersuchung auf hohe Konzentrationen von RANKL im Blut auch eine Methode zur Früherkennung von Brustkrebserkrankungen bzw. Rückfällen werden.

RANKL und Insulinresistenz

In "Nature Medicine" publizierte das Forschungsteam um Stefan Kiechl nun eine Studie, in der es belegen konnte, dass RANKL durch die Aktivierung eines Transkriptionsfaktors (NF-Kappa B) zu Insulinresistenz sowie zu einer Entzündung und Verfettung der Leber. Zunächst werteten die Wissenschafter Daten ihrer Langzeit-Beobachtungsstudie (Bruneck-Studie) aus, in der 844 Personen über viele Jahre hinweg immer wieder auf verschiedene Parameter untersucht und bezüglich ihres Gesundheitszustandes überwacht werden. Insgesamt trat bei 78 der Probanden zwischen den Jahren 1990 und 2005 Diabetes Mellitus Typ 2 auf. Bei der Untersuchung von Blutproben stellte sich heraus, dass Personen mit vergleichsweise hohen RANKL-Konzentrationen im Blut ein drei- bis vierfach höheres Risiko für den Ausbruch von Typ-2-Diabetes hatten als Menschen mit niedrigen RANKL-Werten.

Überprüfung im Mausmodell

Dass dieser Mechanismus ursächlich mit der Entstehung von Diabetes zu tun haben dürfte, wurde dann in einem Modell an Mäusen belegt: Nager, bei denen man spezifisch das Gen für die Produktion von RANK-Protein in der Leber ausschaltete, waren trotz besonders energiereichen Futters vor Übergewicht und Insulinresistenz geschützt. Mäuse mit dem normalen RANK-Gen entwickelten hingegen die Stoffwechselkrankheit.

"Die Laboruntersuchungen bestätigen, dass das Protein RANKL ein großes Potential für künftige Therapieansätze aufweist", so Georg Schett. Jetzt gelte es, spezifische Medikamente gegen RANKL zur Behandlung der Zuckerkrankheit zu entwickeln und zu testen. Bei der Osteoporose wird die RANKL-Aktivität bereits erfolgreich mittels Antikörper vermindert. Dieser "Startvorteil" könnte für künftige Medikamenten- und Interventionsstudien genützt werden und deren Durchführung wesentlich beschleunigen. "Eine zugelassene Medikation zur Vorbeugung oder Therapie des Diabetes Mellitus Typ 2 könnte schon in wenigen Jahren Realität sein", zeigten sich die Tiroler Forscher zuversichtlich. (APA/red, derStandard.at, 11.2.2013)