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Die Substitutionstherapie hat sich international bewährt, heißt es von Suchtexperten aus dem Gesundheitsministerium.

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Ein Vorschlag aus dem Innenministerium zur Drogenpolitik sorgt erneut für breites Unverständnis bei Suchtexperten. Nach der Ankündigung, dass noch heuer Pilotprojekte für Haartests zur Analyse von Drogenkonsum gestartet werden, wird auch eine Abschaffung der Substitutionstherapie verlangt. Das geht aus dem Anti-Drogen-Strategiepapier des Ministeriums hervor, wie Ö1 berichtet.

Die Suchtexpertin Gabriele Fischer betrachtet diesen Vorschlag im Gespräch mit derStandard.at als "absurd". Sie könne sich nicht vorstellen, dass das jemand ernsthaft überlege, so die Leiterin der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Wiener AKH. "Man würde sich damit dem Standard der Drogenpolitik in Russland annähern", so Fischer. Harald Haltmayer, ärztlicher Leiter der Suchthilfe Wien, wiederum sieht in dem Vorschlag einen "Rückschritt um 25 bis 30 Jahre".

Gesundheitsministerium: Substitution ist Erfolg

Auch das Gesundheitsministerium stellt sich klar hinter die Substitutionstherapie, die im Fachjargon Erhaltungstherapie mit Opioiden heißt. "Es handelt sich dabei um eine ganz wichtige Behandlungsform, wodurch im vergangenen Jahrzehnt die Sterblichkeitsrate von Opiatsüchtigen drastisch gesenkt werden konnte", sagt Johanna Schopper, Bundesdrogenkoordinatorin des Ministeriums.

Für Schopper ist diese Therapie auch wichtig, um Abhängige zu stabilisieren, ohne dass sie straffällig werden. Worin sich alle Experten einig sind: Die Kompetenzen für den Umgang mit Substitutionspatienten sollen eindeutig im Gesundheits- und nicht im Innenministerium verankert sein.

Qualitätssicherung im März

Die Bestrebungen des Innenministeriums unterstützt hingegen Franz Lang, Direktor des Bundeskriminalamts (BKA). Im Ö1-"Mittagsjournal" sprach er am Dienstag davon, dass "gewisse Dinge, die in Österreich verschrieben werden, nur noch in einem osteuropäischen Staat verschrieben werden und der Rest Europas schon längst von diesen Präparaten weggegangen ist".

Diesen Vorwürfen entgegnet Gabriele Fischer: "Die verwendeten Medikamente haben einen etablierten Platz." Man könne darüber klarerweise diskutieren, die nächste Gelegenheit dazu biete sich Anfang März beim alljährlichen Symposium zur Qualitätssicherung für Suchterkrankung. Dazu sei diesmal auch Franz Lang eingeladen.

Sucht ist Krankheit

Für Fischer liegt ein wesentliches Problem darin, dass 70 Prozent der Substitutionspatienten bei Allgemeinmedizinern in Behandlung sind. Diese Zahl soll auf 40 Prozent gesenkt werden. "Es muss klar sein, dass diese Menschen krank sind - mehr als die Hälfte hat psychische Probleme wie Depressionen." International würden Betroffene in Spezialeinrichtungen betreut, daher sollten auch in Österreich psychiatrische Abteilungen in die Therapien eingebunden werden.

Hans Haltmayer von der Suchthilfe Wien sieht im Vorschlag des Innenministeriums eine zusätzliche Stigmatisierung von Patienten: "Durch diese Art von Politik werden Drogenabhängige in der Öffentlichkeit einmal mehr als sozial auffällig und nicht als chronisch krank betrachtet."

Missbrauch einschränken

Einen Vorwurf aus dem Innenministerium erkennt auch Haltmayer an: den Missbrauch und illegalen Handel der verschriebenen Präparate. "Missbrauch von Medikamenten gibt es überall. Bei Suchtkranken ist das weltweit zu beobachten", erklärt er gegenüber derStandard.at. "Deswegen aber die ganze Behandlung in Frage zu stellen ist, wie das Kind mit dem Bade auszuschütten."

Zudem gebe es seit zwei Jahren eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Gesundheitsbehörde. Bei Verdachtsfällen werde der verschreibende Arzt konsultiert, so Haltmayer. Damit soll auch der vielfach geäußerten Kritik entgegengewirkt werden, dass Substitutionsmedikamente zu oft und zu großzügig verschrieben werden. 

Geringe Ausstiegsquote als falsches Argument

Ein weiterer Vorwurf des Innenministeriums: Laut Studien würden nur fünf von hundert Patienten, die Drogenersatzstoffe erhalten, auch tatsächlich den Ausstieg schaffen. Für Johanna Schopper vom Gesundheitsministerium läuft diese Aussage am Thema vorbei: "Opiat-Abhängigkeit ist eine chronische Erkrankung, bei der es meist nicht möglich ist, in absehbarer Zeit abstinent zu werden."

Schopper warnt auch davor, dass durch die Abschaffung der Therapie die Gefahr einer Überdosierung bei einem Rückfall besonders hoch sei. Von den Vorschlägen des Innenministeriums habe sie im Übrigen aus den Medien erfahren. Offizielle Informationen über das Papier zur Anti-Drogen-Strategie habe es keine gegeben. (bbl/elm/mob, derStandard.at, 12.2.2013)