Links der bestehende Seidler-Turm, rechts die "Danube Flats" im Computer-Rendering. Etwas weniger als die Hälfte der Einheiten sollen als Eigentumswohnungen verkauft werden, die Mehrheit ist derzeit als Mietwohnungen geplant.

Rendering: Soravia Group/S+B Gruppe

Oben der Ist-Zustand, unten der Vielleicht-Bald-Zustand: Auf die Garagen des alten "Cineplexx" soll ein 150 Meter hoher Wohnturm gesetzt werden, daneben sollen drei niedrigere Baukörper entstehen. Schon Ende diesen Jahres soll mit dem Abbruch des ehemaligen Kinos begonnen werden können, so wünscht man sich bei Soravia/S+B den weiteren Fahrplan des Projekts.

Foto/Rendering: Soravia Group/S+B Gruppe

In die Räume am Ufer der Neuen Donau "muss etwas reinkommen, das bis 22 Uhr hell ist", wie sich Erwin Soravia am Dienstag ausdrückte. Das soll helfen, das Sicherheitsgefühl der Anrainer zu heben.

Foto/Rendering: Soravia Group/S+B Gruppe

"Wir sind ja keine Idioten", sagte Erwin Soravia am Dienstagvormittag in der Wiener Innenstadt. Er und die Vorstände der S+B Gruppe, Reinhard Schertler und Wolfdieter Jarisch, hatten Medienvertreter in die oberste Etage des Wiener Hotels Topazz geladen. Die Diskussion über das großangelegte Bauvorhaben von Soravia Group und S+B, den Wohnturm "Danube Flats" auf der Wiener Donauplatte, drohte in den vergangenen Tagen nämlich eine für die beiden Unternehmen recht unangenehme Entwicklung zu nehmen; wie berichtet hat sich unter den Bewohnern des bekannten "Seidler-Towers" an der Reichsbrücke eine "Initiative Kaisermühlen" formiert, die den Bau des 150 Meter hohen Wohnturms in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft verhindern will.

Am Montagabend veranstaltete die Initiative eine Podiumsdiskussion im Seidler-Turm, an der rund 120 Menschen teilnahmen. Das Pressegespräch von Soravia & Co. am Dienstagvormittag war als direkte Entgegnung geplant; Erwin Soravia unterbrach dafür sogar einen Auslandsaufenthalt.

Argumente und Gegenargumente

Mit dem "Idioten"-Sager gleich zu Beginn habe er klarmachen wollen, dass nicht alles, was ihm die Initiative vorwirft, aus seiner Sicht auch gerechtfertigt ist, sagt Soravia. Genau genommen lässt der Wiener Bauunternehmer keines der zahlreichen Argumente gelten, die die Initiative am Montagabend in den Raum stellte.

Als da wäre: die Sache mit dem Wind. Es wäre ein Wahnsinn, in dieser windigen Gegend ein weiteres Hochhaus zu bauen, noch dazu bis oben begrünt. Soravia, Schertler und Jarisch entgegnen: Mit "strömungsmechanischen Computermodellen" habe die Wiener Firma Weatherpark errechnet, dass sich die Windsituation nach der Errichtung der "Danube Flats" für die Bewohnerinnen und Bewohner dort sogar verbessern würde.

Ebenso gut "bewaffnet" zeigten sich die Projektverantwortlichen in Sachen Lärm: Die Schallimmissions-Situation werde sich für die Anrainer wegen der vorgesehen Gesamt-Überplattung der öffentlichen Verkehrsflächen (auf die laut Soravia die Bezirksvorstehung gepocht hatte) ebenfalls verbessern. Verkehrsmodelle hätten außerdem einen insgesamt geringeren Pkw-Verkehr als zu Zeiten des Kinobetriebs im Cineplexx errechnet, und Soravia versicherte am Dienstag außerdem, dass anders als im benachbarten "DC Tower 1" an der Errichtung der "Danube Flats" ganz bestimmt nicht rund um die Uhr gebaut werde.

"Reservierungsliste" für die Wohnungen

Eine regelrechte Falschinformation sei, dass die Wohnungen im noch nicht einmal bewilligten Turm bereits verkauft werden. Richtig sei, dass es eine Reservierungsliste gebe, in die sich Interessenten im Soravia-Büro in der Löwengasse 47 im 3. Bezirk schon eintragen lassen können, präzisierte SB-Vorstand Jarisch.

Und dann war da noch die Sache mit der Widmung: Einer der Hauptkritikpunkte der Initiative Kaisermühlen ist, dass am Standort des Cineplexx der gültige Flächenwidmungsplan nur eine Höhe von 26 Metern (Bauklasse V) zulasse. Die 47 Stockwerke hohen "Danube Flats" wurden Anfang Oktober präsentiert, die Umwidmung auf Bauklasse VI wurde kurz vor Weihnachten beantragt; weil das Projekt aber in den Augen der Gegner schon jetzt so beworben wird, als wäre es bereits bewilligt, vermutet man in den Reihen der Initiative verdeckte Absprachen bis hin zur bereits garantierten Umwidmung - "denn welcher Geschäftsmann würde sonst schon vorab mehrere Millionen Euro in die Hand nehmen?".

"Von einer ausgemachten Sache kann keine Rede sein", sagen dazu die Projektbetreiber kurz und knapp. Den städtischen Behörden würden alle Unterlagen vorliegen, das Verfahren sei im Laufen.

Unverbaubar? "Stimmt nicht!"

Und noch ein Argument der Gegenseite "stimmt einfach nicht", betonte Erwin Soravia einigermaßen resolut: nämlich jenes, dass den Bewohnern des Wohnturms von Harry Seidler - der im Besitz der Arwag steht - beim Kauf beziehungsweise Bezug ihrer Wohnungen vor rund zehn Jahren versprochen worden sei, dass ihnen kein Turm mehr vor die Nase gesetzt werde. "Unverbaubar" sei die Sicht zur Donau, habe es damals in Verkaufsprospekten geheißen, darauf wurde am Montagabend von Unterstützern der Initiative mehrmals hingewiesen. Ein von Wolfgang Förster, dem Chef-Wohnbauforscher der Stadt Wien, herausgegebenes Buch aus dem Jahr 2002 wurde herumgereicht, in dem die Architektur des Seidler-Turms abgefeiert wird. "Unverbaubar", heißt es auch dort.

Soravia stellte das entschieden in Abrede, hielt sich bei dem Vorwurf aber gar nicht lange auf. Flächenwidmungspläne seien nicht für die Ewigkeit geschrieben, "jedes Hochhaus muss ohnehin immer einzeln gewidmet werden", sprang ihm Architekt Andreas Schmitzer vom siegreichen Büro A01 architects zur Seite.

"Selbstverständlich verstehe ich die Bewohner dort", versicherte Soravia, um dann die ganze Palette an Vorzügen anzuführen, die das Vorhaben aus seiner Sicht mit sich bringt: Es handle sich um einen idealen Standort für ein Wohnhochhaus, nämlich um den "höchstnachgefragten Wohnstandort Wiens". Sozusagen in einem Aufwaschen mache man das gesamte Areal lebenswerter, weil fußgängerfreundlich, das ganze Projekt habe zudem "positive Auswirkungen auf die Nahversorgung in der Umgebung", und man wolle auch die Anbindung an das Donauufer attraktivieren. Unter anderem soll es auch am Boden mehr Grün geben, als das jetzt der Fall sei.

Aufgebrachte Anrainer

Die 120 "Nachbarn in spe", die sich am Montagabend  versammelt hatten - die meisten davon Bewohner des "Seidler-Towers" -, fühlen sich dennoch gepflanzt - vor allem von der Bezirks-SPÖ und den Stadt-Grünen. Deren Gemeinderat Christoph Chorherr sowie der rote Bezirksvorsteher Norbert Scheed waren Teil der Jury des privat durchgeführten Architekturwettbewerbs, waren bei der Diskussion am Montag aber nicht anwesend.

Von der SPÖ war gleich gar niemand in den Seidler-Turm gekommen; anstelle von Chorherr musste Grünen-Gemeinderätin Jennifer Kickert, deren Spezialgebiet Bürgerbeteiligungen sind, die verbalen Watschen der Anrainer einstecken. Sie stellte gleich vorab klar, dass sie sich unter einem funktionierenden Bürgerbeteiligungs-Modell garantiert auch etwas anderes vorgestellt hätte. "Sie sind lediglich informiert worden", sagte sie in Richtung Publikum.

Kickert musste auch mehrmals entschieden dementieren, dass Chorherr, der das Projekt nach wie vor - und ganz im Gegensatz zu den Bezirks-Grünen der Donaustadt - unterstützt, irgendwelche Vorteile daraus lukriert hätte. Dass sie sich dafür von mehreren Diskussionsteilnehmern "Naivität" vorhalten lassen musste, gehörte zu den unschöneren Szenen der im Großen und Ganzen recht gesittet abgelaufenen Veranstaltung.

"Dem Bauträger so schwer wie möglich machen"

Die Grünen-Gemeinderätin befürwortet das Projekt ebenfalls, weil sich der Standort nun einmal ganz hervorragend für eine weitere Wohnbebauung eigne. Und weil Wien neue Wohnungen brauche. Gegen den Bau sind neben den Bezirks-Grünen, die zumindest in der jetzigen Form nicht zustimmen wollen, auch ÖVP und FPÖ.

Insbesondere die Vertreter der Donaustädter FPÖ sprachen sich für eine "sofortige Beendigung dieses Projekts" aus und schworen die "Initiative Kaisermühlen" darauf ein, durchzuhalten und sich weiter zu wehren. "Machen Sie es dem Bauträger so schwer wie möglich", sagte der stellvertretende Bezirksvorsteher Werner Hammer. "Irgendwann wird er die Lust verlieren."

Keine Disco, "nur Wohnungen"

Während das Widmungsverfahren nun läuft, wollen Erwin Soravia und Reinhard Schertler neuerlich das Gespräch mit den Mitgliedern der Initiative suchen, um sie von den Vorzügen der Neugestaltung ihrer Umgebung zu überzeugen. Die Schärfe des Gegenwinds ist für die Projektbetreiber dennoch unbegreiflich: Nach der derzeitigen Widmung sei doch beispielsweise auch eine Disco am Standort des ehemaligen Cineplexx möglich. Man wolle dort aber nur Wohnungen bauen - "und was Ruhigeres als Wohnungen gibt's ja gar nicht".

Lediglich 320 der bisher geplanten 500 Wohnungen sollen sich übrigens im 150 Meter hohen Wohnturm befinden. Die restlichen "rund 200" Wohnungen (was insgesamt 520 ergeben würde, hier ist sichtlich noch vieles unklar) sollen in drei wesentlich niedrigeren Baukörpern untergebracht werden, die allesamt die bisher dort erlaubte Gebäudehöhe von 26 Metern nicht überschreiten würden (siehe Renderings).

Soravia kündigte am Dienstag außerdem an, dass es "sicher zehn Prozent der Wohnungen" sein werden, die unter dem Titel "Smart Living" mit einem 7-Euro-Mietendeckel auf den Markt kommen sollen. Diese Wohnungen werden sich auch sicher im Hochhaus befinden, nicht in den niedrigeren Nebenbauten, stellte er klar.

42 Meter statt 30 Meter Abstand

Und noch etwas war den Bauwerbern am Dienstag ganz wichtig: Der Abstand zwischen dem bestehenden Seidler-Tower und dem geplanten "Danube Flats"-Turm werde nicht bloß 30 Meter betragen, sondern 42 Meter. Neben den vielen anderen Kritikpunkten hatten nämlich ausgerechnet die angeblich nur 30 Meter am Montag im Veranstaltungssaal des Seidler-Towers für viel  Aufregung gesorgt.

Ein Herr im Publikum erzählte dazu eine kleine Anekdote: Seine Tochter spiele manchmal ein Computerspiel, in dem es darum gehe, eine Stadt zu bauen. Und dort, in diesem Computerspiel, könne man eben auch nicht "einfach so ein Hochhaus neben ein anderes stellen", das funktioniere nicht. Denn die Computerspiel-Entwickler, die seien eben auch keine Idioten. (Martin Putschögl, derStandard.at, 12.2.2013)