Wien - Die Flüchtlinge aus der Wiener Votivkirche haben am Mittwoch bei einer Pressekonferenz zu einer "Großdemo" am Samstag in Wien aufgerufen. Dem am Dienstagabend bekannt gewordenen Evaluierungsbericht des Innenministeriums über die Räumung des Camps im Sigmund-Freud-Park am Ende des vergangenen Jahres konnten die Flüchtlinge nichts abgewinnen. "Nichts ist okay", sagte  einer der Aktivisten. Erfreut zeigten sich die Flüchtlinge hingegen über den am Vortag errungenen zweiten Platz beim Protestsongcontest im Wiener Rabenhof-Theater.

Die Pressekonferenz war aufgrund des Aschermittwochs kurzfristig von der Kirche in ein nahes Café verlegt worden. Es sei "nicht verwunderlich", dass eine Behörde, die "massiv" gegen die Flüchtlinge agiere, die Maßnahmen bei der Camp-Räumung für "formal korrekt" halte, sagte die Aktivistin Sonja Grusch von der Sozialistischen Linkspartei, die die Veranstaltung moderierte. "Das ändert nichts daran, dass es seit dem ersten Tag Repressionen gibt.", so Grusch. Alles andere hätte sie überrascht.

Räumung "verhältnismäßig"

Laut dem Bericht war die Räumung "verhältnismäßig" und wurde korrekt durchgeführt. "Es ist nicht okay, nichts ist okay", meinte allerdings einer der Betroffenen. Laut den Flüchtlingen befinden sich zudem derzeit drei Personen aus ihrem Kreis in Schubhaft.

In der Kirche halten sich weiterhin knapp 50 Personen auf, teilweise in Hungerstreik. Diesen wollten die Flüchtlinge auch nicht aufgeben, sagte Mir Jahangir. Die Situation sei nicht neu, niemand zeige jedoch Verantwortlichkeit, kritisierte der Flüchtling. Er fordert weiterhin einen Dialog mit der Politik und lud dazu Vertreter aller politischen Richtungen ein.

Kritik an Caritas

Kritik äußerten die Flüchtlinge auch an der Caritas. Diese würde Namen von einer Liste streichen, auf der jene Flüchtlinge und Unterstützer verzeichnet sind, die Zugang zur Kirche erhalten. "Gleichzeitig dürfen Nazis stundenlang in der Kirche bleiben", kritisierte Demo-Organisator Tilman Ruster mit Verweis auf den Auftritt der rechtsgerichteten Gruppe "Die Identitären Wiens" am Wochenende in der Votivkirche.

Die Aktivisten appellierten an die Zivilgesellschaft, sie zu unterstützen und an der Demonstration am Samstag teilzunehmen. Es gehe dabei zum einen um Solidarität mit den Flüchtlingen, zum anderen müsse "Schluss sein mit der Repression", sagte Ruster. Außerdem fordere man einen Zugang der Asylwerber zum Arbeitsmarkt.

Marsch vor das Parlament

Der Demozug soll am Samstag um 14 Uhr beim Westbahnhof starten und dann zum Innenministerium ziehen, wo eine Zwischenkundgebung geplant ist. Anschließend wollen die Teilnehmer zum Parlament und schließlich zur Votivkirche marschieren, wo eine Abschlusskundgebung angekündigt ist.

Auch Grünen-Menschenrechtssprecherin Alev Korun erklärte in einer Aussendung, es sei "wenig überraschend", dass das Innenministerium in seinem Bericht keinen Tadel zur Camp-Räumung festgestellt habe. "Dass man den Protest mit Baggern dem Erdboden gleich macht, ist weder ein Zeichen für Stärke, noch ist es in irgendeiner Form verhältnismäßig", kritisierte Korun. 

Erzdiözese weist Kritik zurück

Die Erzdiözese Wien wies unterdessen die Kritik der Flüchtlinge zurück, dass sie die Zahl jener einschränke, die die Kirche betreten dürfen. Die entsprechende Liste sei gemeinsam mit den Betroffenen erstellt und nicht verändert worden, sagte der Sprecher der Erzdiözese, Michael Prüller. Im Dezember sei gemeinsam mit den Flüchtlingen eine Liste mit den Namen von 63 Personen erstellt worden, die Kirchenasyl erhalten haben. An dieser Liste habe sich seines Wissens nichts geändert, so Prüller.

Außerdem sei vereinbart worden, dass sich fünf Unterstützer in der Kirche aufhalten dürfen. "Von uns wurde niemand weggestrichen oder dazugeschrieben", so Prüller. Vertreter der Gruppe "Die Identitären Wiens" seien am Sonntag im Zuge des Gottesdiensts in die Kirche gelangt und hätten diese erst nach einer kurzen Besetzung wieder verlassen.

Die Caritas sorgt sich unterdessen um die Gesundheit der Flüchtlinge. Der Gesundheitszustand habe sich zum Teil drastisch verschlechtert, da einige Hungerstreikende "viel zu wenig trinken" würden, sagte Caritas-Wien-Sprecher Klaus Schwertner. Allein in den vergangenen 48 Stunden habe es rund ein Dutzend Rettungseinsätze wegen medizinischer Notfälle gegeben. (APA, 13.2.2013)