Ohne Armin Grunwalds Buch "Ende einer Illusion" gelesen zu haben, muss man seine freilich völlig zu Recht vorgebrachte Kritik an einer tatenlosen Politik ("Der Konsument kann die Welt nicht im Alleingang retten") um die faktische Macht und die damit einhergehende Verantwortung der KonsumentInnen korrigieren.

Multinationale Konzerne streben nicht von sich aus nach arbeiterInnen-, tier- und umweltfreundlichen Produktionsbedingungen. Das Instrument CSR (Corporate Social Responsibility) oder "Green Washing", wie böse Zungen es nennen würden, wurde von den Unternehmen als Werkzeug geschaffen, um das von KonsumentInnen gewünschte Bild ethisch vertretbarer Produkte zu erzeugen.

Corporate Social Responsibility

Für sich genommen ist CSR sinn- und wirkungslos, aber seine bloße Existenz zeigt auf, dass viele große Unternehmen im kapitalistischen Konkurrenzkampf sehr wohl darauf achten, von den EndverbraucherInnen zumindest nicht als sklaventreibende, tierquälende und umweltverschmutzende Aktionärsbefriedigungsmaschinerien wahrgenommen zu werden.

Es gibt wohl keine NGO, die KonsumentInnen frohen Herzens auffordert, ihre Eigenverantwortung wahrzunehmen und zu den immer teureren "Fairtrade"- und "Bio"-Produkten zu greifen. Ohne finanziellen Mehraufwand kann man lediglich den sogenannten Nutztieren helfen: Ein Boykott tierlicher Produkte - eine vegane Lebensweise - kann durchaus billiger kommen als der Konsum ressourcenverschwendender Milch- und Fleischprodukte. Trotz enormer Subventionierung tierbasierter Landwirtschaft schimmert hier doch ein wenig die von Grunwald richtigerweise geforderte ökologische Kostenwahrheit durch.

Leider ist aber die Politik nicht so rational, wie es für Grunwalds Thesen erforderlich wäre: Dringend notwendige politische Änderungen werden ignoriert, weil die mächtige Lobby der Agroindustrie Profiteinbußen wittert. Während in Deutschland gerade die Reduktion der Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden gefordert wird, ziehen hierzulande die PolitikerInnen den Kopf ein, sobald die Arbeitgeberverbände mit der Arbeitsplatzkeule winken. So steht die Zivilgesellschaft mit ihren berechtigten Wünschen ohnmächtig vor einer selbst gewählten, aber tatenlosen Politik.

Die Macht der KonsumentInnen

In Anbetracht des ständig sinkenden Anteils von Lebensmitteln an den monatlichen Pro-Kopf-Ausgaben ist es für verantwortungsvolle BürgerInnen aber durchaus auch "ohne gehörige Portion Idealismus" geboten, durch eine bewusste Konsumentscheidung inakzeptable Produktionsmethoden nicht mitzufinanzieren.

In einer korrupten und durch Lobbying längst aus dem Gleichgewicht gebrachten marktwirtschaftlichen Demokratie sind es leider erst solche mündigen Konsumentscheidungen, die gesetzliche Änderungen politisch ermöglichen. Ein Beispiel: 2005 konnte der Verein gegen Tierfabriken das sogenannte "Legebatterieverbot" (genauer: das Verbot nicht ausgestalteter Käfige für Legehennen) erst erfolgreich als Gesetz einfordern, nachdem KonsumentInnen den Verkauf von Legebatterie-Eiern durch Supermarktketten geächtet hatten.

Politisch bewusster Konsum ist freilich alles andere als ein Allheilmittel, aber eine pragmatische Strategie gegen die Machtlosigkeit obrigkeitsgläubiger Appelle. Daher sind Relativierungen, ein Konsumboykott einzelner Produkte könne nichts bewirken, gefährlich. Im Gegenteil: Um politisch erfolgreich Ziele zu erreichen, ist die Zivilgesellschaft darauf angewiesen. (Elmar Völkl, Leserkommentar, derStandard.at, 14.2.2013)