Washington/Wien – Medikamente, mit denen Menschen ihre Depressionen oder Ängste bekämpfen, werden wieder ausgeschieden und gelangen so in das Abwasser. Von konventionellen Kläranlagen werden Psychopharmaka wie der Angstlöser Oxazepam allerdings nicht aus dem Wasser gefiltert, sondern gelangen in die Flüsse – und könnten dort ungeahnte Folgen haben, wie Forscher im Fachblatt "Science" berichten.
Das interdisziplinäre schwedische Wissenschafterteam um Tomas Brodin von der Uni Umeå hat erstmals Flussbarsche in Aquarien gehalten, deren Wasser jene Konzentrationen von Oxazepam aufwies, wie sie in schwedischen Flüssen gemessen wurden. Die Beobachtungen der Forscher waren dann doch etwas überraschend – und auch wieder nicht. Überraschend war, dass sich tatsächlich eindeutige Verhaltensänderungen bei den Tieren zeigten; die Art der Veränderung konnte allerdings erwartet werden.
"Wenn jene Fische, die in Wasser mit Oxazepam schwammen, allein waren, dann wagten sie sich viel öfter aus ihrem sicheren Versteck und in gefährliche Gebiete vor", sagt Tomas Brodin. Im Vergleich zu ihren Artgenossen ohne den Angstlöser waren sie außerdem viel weniger gestresst, verhielten sich viel ruhiger und mutiger. Weniger positiv wirkte sich der Angstlöser allerdings auf das Sozialverhalten der Tiere aus, so Brodin: "Die Tiere hatten viel weniger Interesse, sich mit ihrer Gruppe abzugeben."
Die Konzentration von Oxazepam im Körper der Fische entsprach nach dem Experiment jener, der bei schwedischen Flussbarschen in freier Wildbahn gemessen wurde. Anders gesagt: Die Verhaltensänderungen sind voll im Gange, wobei die Tiere in natura nicht nur Oxazepam, sondern allen möglichen Psychopharmaka ausgesetzt sind.
Der logische Lösungsvorschlag der schwedischen Forscher: Psychopharmaka sollen durch neue und bessere Kläranlagen aus dem Wasser gefiltert werden. (tasch/DER STANDARD, 15.2.2013)