Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist eine Garantieerklärung des Herstellers. Wichtig ist der Zusatz "Ungeöffnet".

Foto: derstandard.at/Stefanie Rachbauer

In Österreich landen jährlich 157.000 Tonnen Lebensmittel und Speisereste aus Privathaushalten in der Mülltonne - obwohl ein Großteil davon noch genießbar wäre, besagt eine Studie der Universität für Bodenkultur in Wien (Boku). Derzeit wird gleich mit zwei Kampagnen dafür geworben, dass Lebensmittel wieder öfter im Magen der Konsumenten und nicht im Mistkübel landen: Eine Initiative stammt von den Vereinten Nationen und eine vom österreichischen Lebensministerium.

Beide Kampagnen sehen im Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) einen wichtigen Ansatzpunkt, um das Entsorgen von Esswaren einzudämmen. Denn viele Produkte seien auch nach Überschreiten dieses Datums noch genießbar, so der Tenor der Initiativen. Außerdem sollen sich die Konsumenten wieder stärker auf ihre Sinne verlassen als auf die Daten auf der Verpackung, sagt Abfallexpertin Felicitas Schneider von der Boku.

"Mindestens haltbar bis"

Tatsächlich handelt es sich beim MHD lediglich um eine Garantieerklärung. Der Erzeuger gewährleistet, dass ein Lebensmittel bis zu diesem Zeitpunkt unter entsprechenden Lagerbedingungen spezifische Eigenschaften wie Konsistenz oder Geschmack behält – automatisch verdorben ist es danach nicht.

Wie lange Produkte eine bestimmte Qualität aufweisen, wird in aufwendigen Laborversuchen ermittelt. Dabei werden Waren zuerst untersucht, dann eingelagert und nach gewissen Zeitspannen wieder unter die Lupe genommen. "Zusätzlich rechnet der Hersteller eine Sicherheitsmarge ein", erklärt Anka Lorencz, stellvertretende Geschäftsführerin des Bundesgremiums Lebensmittelhandel der Wirtschaftskammer.

"Zu verbrauchen bis"

Anders verhält es sich mit dem Verbrauchsdatum. Diese Frist ist anstelle des MHDs auf mikrobiologisch leicht verderblichen Lebensmittel wie rohem Fleisch aufgedruckt. Ist das Verbrauchsdatum eines Produktes überschritten, soll es nicht mehr konsumiert werden.

Mit diesen beiden Angaben werden die Waren EU-weit einheitlich gekennzeichnet, ihr Sinngehalt ist jedoch umstritten. Die Datumsangaben seien verwirrend und würden von den Konsumenten falsch interpretiert, sagen Kritiker. Deshalb würden auch so viele Lebensmittel im Müll landen. Erst vergangenes Jahr brach in Deutschland eine große Debatte um Mindesthaltbarkeits- und Verbrauchsdatum aus, eine Umformulierung wurde gefordert.

Uneinige Wissenschaft

Das ist aus Sicht von Felicitas Schneider von der Boku Wien nicht nötig. "Die Regelungen sind gut, so wie sie sind", sagt die Abfallexpertin, "aber ich sehe Informationsdefizite." Denn wissenschaftliche Untersuchungen zur Rolle des MHD beim Entsorgen von Lebensmitteln weisen sehr unterschiedliche Resultate auf.

So stellte Schneider mit ihren Kollegen in einer deutschlandweiten Studie der BOKU und der Universität Stuttgart fest, dass das MHD in der öffentlichen Debatte rund um die Entsorgung von Lebensmitteln überbewertet werde. Es lasse sich eben kein wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen dem MHD und der Wegwerfrate in Haushalten nachweisen. Genausowenig konnte bisher empirisch bestätigt werden, ob Konsumenten die Datumsangaben falsch interpretieren.

MHD beruhigt das schlechte Gewissen

"Die Diskussion um das MHD ist gut und wichtig", betont Schneider, "aber alles kann man damit nicht erklären. Es landen ja auch Waren, die kein MHD haben, in rauen Mengen im Abfall." Für viele sei das MHD einfach eine Ausrede, die das schlechte Gewissen beim Wegwerfen von Lebensmitteln ruhig stellt.

Dass man den Konsumenten mehr Informationen zur Bedeutung der Angaben anbietet, ist aus Schneiders Sicht aber dennoch wichtig: "Man muss die Leute ermutigen, ihren Sinnen wieder zu vertrauen."

Realistische Daten

AK-Konsumentenschützer Heinz Schöffl sieht das ähnlich. Man müsse kommunizieren, was hinter den Daten auf der Verpackung steht, sagt er. Darüber hinaus sei es wichtig, dass Lebensmittelerzeuger insbesondere bei Produkten mit Kühlbedarf praxisnähere Parameter bei der Bestimmung des MHD heranziehen.

"Der Erzeuger muss mitbedenken, dass die Kühlbedingungen nicht überall optimal sind und Unterbrechungen vorkommen", so Schöffl. "Dann würden wir bei unseren Tests keine verdorbenen Produkte mehr finden und der Konsument hat auch noch Spielraum."

"MHD überschritten, Ware in Ordnung"

Haben Produkte das MHD bereits überschritten, dürfen sie weiter im Regal bleiben. Allerdings muss der Händler diese Produkte kennzeichnen und sich vergewissern, dass sie noch für den menschlichen Verzehr geeignet sind. Letzteres sei bei einigen Produkten schwierig, sagt Anka Lorencz von der Wirtschaftskammer. "Daher versuchen die Händler, diese Waren schon vorher abzusetzen."

Denn sobald das MHD überschritten ist, liegt die Verantwortung nicht mehr beim Erzeuger, sondern beim Händler. Letzterer darf "abgelaufene" Produkte theoretisch auch umpacken und mit einem neuen Datum  versehen, für das er dann haftet. "Aber das macht kein Mensch", sagt Lorenz. Bei Verstößen gegen diese Regelungen drohen straf- oder verwaltungsrechtliche Konsequenzen.

Sehen und riechen

Eine Faustregel, mit der sich die Genießbarkeit von  Lebensmitteln über das MHD hinaus bestimmen lässt, gibt es nicht. Wenn in Farbe, Aussehen und Geruch keine Auffälligkeiten zu bemerken seien, sei eine Überschreitung möglich, erklärt die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in einer Aussendung. Zu beachten ist jedoch: Ab dem ersten Öffnen der Ware gilt das angegebene Mindesthaltbarkeitsdatum nicht mehr. (Stefanie Rachbauer, derStandard.at, 18.2.2013)