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Aufnahme aus dem Jahr 1927: Umgeknickte Bäume lagen auch fast 20 Jahre nach der Meteoritenexplosion über Tunguska noch in der entlegenen sibirischen Landschaft.

Foto: AP

Wien - Am 30. Juni 1908 gab es in der Nähe des Flusses Steinige Tunguska in der sibirischen Taiga eine gewaltige Explosion. In dem entlegenen Gebiet kamen zwar vermutlich keine Menschen ums Leben, es wurden aber auf einem Gebiet von 2.000 Quadratkilometern schätzungsweise 60 Millionen Bäume gefällt. Die Druckwelle drückte in einer 65 Kilometer entfernten Handelssiedlung Fenster und Türen ein und war noch über Hunderte Kilometern hinweg spürbar. Ausgelöst wurde das rätselhafte "Tunguska-Ereignis" höchstwahrscheinlich von einem Asteroiden oder Kometen, der beim Eintritt in die Atmosphäre auseinanderbrach und in einem sogenannten Airburst explodierte. Das Objekt hatte damals eine ungefähr ähnliche Größe wie der am 15. Februar in einer Entfernung von nur rund 28.000 Kilometern an der Erde vorbeifliegende Asteroid "2012 DA14".

Der Himmelskörper, der das "Tunguska-Ereignis" auslöste, war wahrscheinlich etwas größer als "2012 DA14", erklärte der Astronom und Wissenschaftsautor Florian Freistetter. Er hat in seinem neuen Buch "Der Komet im Cocktailglas - Wie Astronomie unseren Alltag bestimmt" unter anderem den Vorfall beschrieben. Das im astronomischen Sinn "kleine Objekt" habe es damals wahrscheinlich nicht bis zur Erdoberfläche geschafft. Je nachdem, wie ein Asteroid zusammengesetzt ist, schwanke die Grenze, ab der tatsächlich ein Einschlag erfolgt, um die 50 Meter Durchmesser, so der Wissenschafter.

Gefährliche "Airbursts"

1908 brach der Himmelskörper vermutlich etwa 6.000 bis 8.000 Meter über der Erdoberfläche auseinander. "Wenn so ein Objekt in mehrere Teil auseinanderbricht, dann explodiert es, weil sich plötzlich die Oberfläche vergrößert. Statt eines Teils sind es dann viele, damit vergrößert sich auch die Reibungswärme und es kommt zur spontanen Explosion", so Freistetter. Die Auswirkungen seien mit der Zündung einer großen Bombe in der Luft vergleichbar. Es gibt eine starke Druckwelle, die auf der Erdoberfläche große Schäden anrichten kann. "Airbursts" solchen Ausmaßes finden laut dem Astronomen allerdings nur alle paar hundert bis tausend Jahre statt.

Aufgrund der Tatsache, dass der Ort des Geschehens sehr entlegen ist und 1914 der Erste Weltkrieg ausbrach, erreichten erst 1927 russische Wissenschafter das Gebiet. Die Verwüstungen waren auch nach fast 20 Jahren noch deutlich sichtbar. "Damals wusste man aber nicht, was passiert war, denn die Tatsache, dass Asteroideneinschläge regelmäßig auf der Erde stattfinden können, hat sich erst in den 1950er-Jahren durchgesetzt", erklärte Freistetter.

Wilde Theorien

Da man in Tunguska aufgrund des "Airbursts" keinen Einschlagskrater fand, ranken sich immer noch teilweise wilde Theorien um die damaligen Ereignisse. In den 1980er-Jahren konnten Wissenschafter mittels Computersimulationen die Bahnen von Asteroiden und auch Einschlagsfolgen analysieren. Dadurch wurde laut Freistetter ziemlich klar, was 1908 geschehen sein muss.

Seitdem wisse man auch, dass Annäherungen von Objekten solcher Größen "nicht extrem selten", aber trotzdem besonders seien. Von derart nahen Vorbeiflügen wie dem von "2012 DA14" könnte man "wissenschaftlich gesehen wahnsinnig viel lernen", so der Astronom, da auch die Forscher so ein Objekt nur selten derart gut vor ihre Teleskoplinsen bekommen.

Aus der Sicht des Wissenschaftsautors eignen sich solche Ereignisse gut, um astronomische Vorgänge einem breiteren Publikum zu vermitteln. In seinem neuen Buch schlägt Freistetter Brücken zwischen der Astronomie und mehr oder weniger alltäglichen Ereignissen. Astronomie rücke auch in der populärwissenschaftlichen Literatur meist relativ weit weg. Es gehe meist um "Schwarze Löcher, Urknall, Galaxien, Kosmologie und Stringtheorie - also um Dinge, die ganz weit weg und ganz dramatisch sind. Ich wollte eben zeigen, dass Astronomie nicht unbedingt etwas ist, was so wahnsinnig unanschaulich ist, sondern auch ganz normal im Alltag eine Rolle spielt". (APA, 15.02.2013)