Plötzlich auftretendes hohes Fieber deutet auf eine Influenza hin.

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Die Nachricht erreichte den Automobilkonzern kurz vor Fasching. Angesichts der aufkommenden Feierlaune wolle man seine Mitarbeiter informieren, dass sich Atemwegserkrankungen und die Grippe auf dem Vormarsch befänden, hieß es in einer Rundmail. Nur einen Tag später wurde die Warnung offiziell bestätigt: Die Europäische Gesundheitsbehörde, das European Center for Disease Prevention and Control (ECDC), publizierte ihre Risikoabschätzung für die diesjährige Grippewelle. Diese hätte vor allem Nord- und Westeuropa viel früher als gewöhnlich fest im Griff gehabt. Dort begann die Ausbreitung im November 2012, ihren Höhepunkt erreichte sie vor Weihnachten.

"Das ist tatsächlich ein bis zwei Monate eher als gewöhnlich", sagt Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin im Bundesministerium für Gesundheit. Und hierzulande haben die Grippeviren früher als im Vorjahr die Bevölkerung befallen. "Wir haben derzeit etwa 110.000 Neuerkrankungen pro Woche", schätzt Rendi-Wagner. Ähnlich hohe Zahlen verzeichnete die Referenzzentrale für Influenza im letzten Jahr erst gegen Ende Februar. Mit etwa 140.000 hochgerechneten Neuerkrankungen pro Woche war damals der Höhepunkt der Grippewelle erreicht. Dieser, so glaubt Rendi-Wagner, wird heuer demnächst auf Österreich zu kommen.

Hohes Fieber

Grippeviren übertragen sich innerhalb kürzester Zeit. Bereits wenige Stunden nach der Ansteckung können erste Symptome auftreten, die vorerst kaum von gewöhnlichen Erkältungen zu unterscheiden sind. Erst das plötzlich auftretende und bis 40 Grad Celsius ansteigende Fieber deutet auf eine Influenza hin. Und die kann mitunter älteren Menschen und solchen mit angeschlagener Körperabwehr gefährlich werden. Tatsächlich sterben in Österreich pro Winter zwischen 1000 und 1300 Menschen daran - Tendenz steigend.

Experten zeigen sich von der diesjährigen Grippesaison wenig beunruhigt. Grund für die Gelassenheit ist die Erkenntnis, dass die Grippeimpfung in diesem Jahr vor den wichtigsten Virusstämmen tatsächlich schützt. Drei Stämme des Grippevirus sind derzeit in Europa unterwegs. Sie tragen die Namen A(H1N1), A(H3N2) vom Typ der Influenza-A-Viren und die "Yamagata-Linie" der B-Viren. "Alle drei Stämme werden durch die diesjährige Impfung abgedeckt", erklärt Monika Redlberger-Fritz vom Virologie-Department der Med-Uni Wien, Österreichs Referenzzentrale für Influenzaviren.

Seit Jahrzehnten werden dort Stichproben der Abstriche von Grippe-Patienten gesammelt und untersucht. Ihre Daten geben die Virologen an das in London ansässige Influenza-Labor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Proben aus ganz Europa analysiert. Nächste Woche werden sich die Experten aller weltweit eingerichteten WHO-Labore in Genf treffen, um zu ermitteln, wie die Impfung der nächsten Grippesaison komponiert werden sollte.

Unberechenbare Viren

Denn die Vakzine müssen für jedes Jahr neu zusammengestellt werden. "Grippeviren sind äußerst wandelbar", sagt Redlberger-Fritz. Ständig verändern sie ihre Oberfläche und damit die Eigenschaften, die von den Impfstoffen erkannt werden. Dieser Drift macht die Viren für Mediziner und Gesundheitsexperten unberechenbar - selbst zu Beginn einer Grippewelle ist für sie nicht absehbar, welche Schutzwirkung die Grippeimpfung haben wird.

Die Wintersaison 2009/2010 etwa sorgte weltweit bei Gesundheitsbehörden für Alarmstufe Rot. Damals nämlich zog ein völlig neuer Stamm über den Globus. Es war die Folge eines viralen Gentransfers. Treffen Viren verschiedener Stämme in einer Körperzelle aufeinander, beginnen sie ihre Gene auszutauschen. Genshift ist der Fachbegriff. Die Folge: ein bislang unbekannter H1N1-Stamm, der die WHO eine Pandemie - also die weltweit nicht mehr aufzuhaltende Ausbreitung eines Erregers - ausrufen ließ. Die Welle verlief dann aber glimpflich: Schwere Verläufe wurden bei Jungen und Schwangeren registriert.

Inzwischen sind die Impfungen mit dem neuen H1N1-Stamm aufgerüstet. Und auch den H3N2-Schutz haben die Impfhersteller an die neue Saison angepasst. Wie die Grippewelle jedoch endgültig verlaufen wird, können Experten nicht exakt prognostizieren. "Das hängt von vielen Faktoren ab, einer davon sind die Wetterbedingungen", sagt Rendi-Wagner. Starke Temperaturschwankungen, die im Mittel von plus sechs bis minus acht Grad Celsius reichten, begünstigen die virale Ausbreitung. Die Aufmerksamkeit der WHO-Konferenz nächste Woche liegt übrigens auf der nördlichen Hemisphäre, für die jetzt schon die Empfehlung für die Impfstoffzusammensetzungen definiert wird. Die nächste Saison für die Viren kommt sicher wieder. (Edda Grabar, DER STANDARD, 18.2.2013)