Schwere Autoimmunität kann im Kindesalter Zeichen eines primären Immundefekts (PID) sein. Das hat jetzt eine Forschergruppe der MedUni Wien, des CeMM Forschungszentrums für Molekulare Medizin, bei einem 13-jährigen Patienten gezeigt.

Mit Hilfe des so genannten "Next Generation Sequencing", mit dem genetische Veränderungen im Erbgut innerhalb weniger Tage entdeckt werden können, wurde bei dem Jugendlichen ein bisher unbekannter B-Zell-Defekt identifiziert. Die Studie wurde im Top-Journal "Blood" publiziert.

Fehlverhalten in der B-Lymphozyten-Regulation

"Unsere Entdeckung hat für Aufatmen in der Familie gesorgt, denn endlich weiß sie, woran der Junge leidet", sagt Kaan Boztug, der in seinem Alltag als Arzt an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde schwer kranke Kinder behandelt und als Forscher am CeMM nach den molekularen Ursachen von Erkrankungen des Immunsystems mittels modernster genetischer Technologien sucht.

Aufgedeckt wurde im konkreten Fall ein Defekt im PRKCD-Gen. Hierdurch kommt es zum Fehlverhalten in der Regulation der B-Lymphozyten, die als "Antikörperfabriken" gelten. Die Folge ist eine schwere Autoimmunität. Aus der jetzt gelungenen, molekularen Identifizierung des Defekts lassen sich laut Boztug und Elisabeth Förster-Waldl, Kinderärztin und Immunologin an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien, sowohl diagnostische als auch therapeutische Konsequenzen ableiten.

Seit früher Kindheit litt der Patient zeitweise unter schwerer Autoimmunität der Nieren, der Lymphknoten und des Bindegewebes. Bisher war der jetzt 13-Jährige über lange Zeiträume mit Cortison generell immunsupprimiert worden, jetzt lässt sich das Ziel der Therapie exakt eingrenzen. Förster-Waldl: "Erst wenn man den Mechanismus kennt, lässt sich eine individualisierte Therapie sinnvoll anwenden oder entwickeln."

30 bis 40 Prozent der Defekte ohne genaue Diagnose

Daten aus dem anglo-amerikanischen Raum gehen davon aus, dass die Prävalenz eines klinisch relevanten Immundefektes, der manchmal lebensbedrohliche Folgen für die Betroffenen mit sich bringen kann, zwischen 1:1200 und 1:2000 liegt. Für Österreich können solche Zahlen nur geschätzt werden, da die systematische Datenerhebung erst seit zwei Jahren erfolgt. Derzeit bleiben, so Förster-Waldl, rund 30 bis 40 Prozent dieser Defekte ohne genaue Diagnose. Das könnte sich jetzt mit Hilfe modernster Diagnoseverfahren inklusive des "Next Generation Sequencing" ändern.

Die meisten Immundefekte gehören zu den so genannten "seltenen Erkrankungen" (Rare Diseases). Kaan Boztug: "Die Summe aller dieser Defekte ist dennoch nicht als selten zu beurteilen." Der weltweite Tag der "Rare Diseases" findet heuer am 28. Februar statt. Dieser Tag wurde ins Leben gerufen, um eine erhöhte Aufmerksamkeit auf diese Krankheitsgruppen zu lenken, um Patienten wie den beschriebenen bessere Diagnosemöglichkeiten und die Aussicht auf wirksame Therapien anbieten zu können. Insgesamt gibt es rund 8.000 seltene Erkrankungen. Acht von zehn dieser Erkrankungen treten bereits im Kindesalter auf. (red, derStandard.at, 19.2.2013)