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Der Menschenrechtsgerichtshof rügt Adoptionsverbot für Homosexuelle.

Foto: dapd/thomps

Straßburg/Brüssel - Ein in Österreich lebendes lesbisches Paar hat vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) in Straßburg einen Sieg im Streit um die Adoption eines Buben errungen. Die Straßburger Richter urteilten am Dienstag, die fehlende Möglichkeit einer Stiefkindadoption diskriminiere gleichgeschlechtliche Paare in Österreich im Vergleich zu unverheirateten heterosexuellen Paaren, bei denen ein Partner das leibliche Kind des anderen adoptieren möchte.

Die beiden Frauen, deren Identität nicht weiter bekannt gegeben wurde, klagten gegen die Weigerung der österreichischen Gerichte, der Adoption des Burschen durch die Partnerin der Mutter zuzustimmen, ohne dass damit die rechtliche Beziehung der leiblichen Mutter zu dem Kind aufgehoben würde. Sie berufen sich auf das in der europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Diskriminierungsverbot in Verbindung mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. 

Keine Verletzung im Vergleich zu verheiteten Paaren

Mit einer Mehrheit der Stimmen urteilten die Richter, dass eine Verletzung von Artikel 14 der Menschenrechtskonvention (Diskriminierungsverbot) in Verbindung mit Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) in Bezug auf unverheiratete heterosexuelle Paare vorlag. Keine Verletzung der Menschenrechtskonvention sehen die Richter dagegen im Vergleich zu verheirateten Paaren.

"Der Gerichtshof war der Auffassung, dass die Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerinnen im Vergleich zu einem unverheirateten heterosexuellen Paar, bei dem ein Partner die Adoption des Kindes des anderen anstrebt, auf ihrer sexuellen Orientierung beruhte", heißt es in einer Pressemitteilung des Gerichts. "Die österreichischen Gerichte hatten keine überzeugenden Argumente zum Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Ungleichbehandlung zum Schutz der Familie oder des Kindeswohls vorgebracht."

Zugleich betonte der Gerichtshof, dass die Menschenrechtskonvention die Staaten nicht dazu verpflichte, unverheirateten Paaren das Recht auf Stiefkindadoption einzuräumen. Der Gerichtshof verwies auf einen Fall in Frankreich, wo die Straßburger Richter keine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung sahen, weil unverheiratete Paare - ob homo- oder heterosexuell - nach französischem Recht generell kein Recht auf Stiefkindadoption hätten.

In Österreich 2006 abgelehnt

Ein österreichisches Landesgericht hatte im Februar 2006 den Antrag der Frauen abgelehnt. Die Richter argumentierten, dass das österreichische Recht zwar keine genaue Definition von "Eltern" enthält, aber darunter doch deutlich zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts verstehe. Solange ein Kind, wie im vorliegenden Fall, beide Elternteile habe, gebe es auch keinen Bedarf, einen von beiden durch Adoptiveltern zu ersetzen. In diesem Zusammenhang hielt das Gericht fest, dass das Kind einen regelmäßigen Kontakt zu seinem Vater unterhält. Im September 2006 wies der Oberste Gerichtshof eine Berufung des lesbischen Paares ab. 

Deutsche Verfassungsrichter stärken Adoptionsrecht für Homosexuelle

Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat unterdessen Beschränkungen beim Adoptionsrecht homosexueller Lebenspartner für verfassungswidrig erklärt. Das bisherige Verbot der sogenannten Sukzessivadoption verstoße gegen das Recht auf Gleichbehandlung, entschieden die Richter in dem am Dienstag verkündeten Urteil.

Dabei geht es um Fälle, in denen einer der beiden Partner ein Kind adoptiert hat und der andere Partner zusätzlich Adoptivmutter oder -vater werden möchte. Auch schwulen und lesbischen Paaren in einer Lebenspartnerschaft müsse in diesen Fällen grundsätzlich eine Adoption möglich sein, entschied das Gericht.

Heinisch-Hosek erfreut über "richtungsweisendes Urteil"

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat sich am Dienstag "hoch erfreut" über das Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR) in Straßburg gezeigt. Gegenüber der APA erklärte eine Sprecherin der Ressortchefin, es handle sich um ein "richtungsweisendes" Urteil. Die Ministerin geht davon aus, dass die Debatte über völlige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften nun neuen Schwung erhält und möchte mit der ÖVP intensiv diskutieren. (APA, 19.2.2013)