
Die Zahl der Carsharing-Autos ist in Wien zwar gestiegen, die Konzepte stehen laut Experten allerdings in direkter Konkurrenz zu Öffis, Fahrrad und den eigenen zwei Beinen.
Wien - Kein Wiener, der nur ab und zu ein Auto braucht, sollte künftig eines besitzen müssen. Sondern eines mieten - stundenweise, in Fußnähe abholbar. Als die Grünen 2010 zur Regierungspartei aufstiegen, schwärmten sie vom Carsharing für alle, das modernste Modell in ganz Europa sollte es werden. Neben der autofreien Mariahilfer Straße sah die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou im flächendeckenden Auto-Teilen ihr zweites zentrales Großprojekt mit Zukunft.
Zwei Jahre später ist von der Vision der umweltschonenden Teilzeit-Motorisierung wenig übrig. Zwar gibt es mehr mietbare Autos auf Wiens Straßen, vom grünen Ziel, damit den Individualverkehr zu reduzieren, ist man allerdings weiter entfernt denn je. Denn die Stadtflitzer von Car2go und carsharing.at schaffen laut Experten zusätzlichen Verkehr.
"In dieser Form ist Carsharing kein geeignetes Instrument zur Reduktion des Autoverkehrs - sondern ein Zusatzangebot", sagt Gerd Sammer, Leiter des Instituts für Verkehrswesen an der Uni für Bodenkultur. Kaum jemand werde deshalb aufs eigene Auto verzichten. Gleichzeitig verleite vor allem Car2go dazu, schnell ein Auto zu mieten, anstatt lange auf die Bim zu warten. Von einer Subventionierung solcher Projekte durch die öffentliche Hand rät Sammer deshalb ab.
Drei Jahre ohne Parkgebühren
Car2go kommt ohne Unterstützung der Stadt aus. Sämtliche Parkgebühren zahlt die Tochter des Daimler Konzerns selbst. Die 500 weiß-blauen Smarts können im innerstädtischen Bereich überall geparkt werden. Das Unternehmen wirbt damit, günstige Autos für kurze Wege bereitzustellen - oder zum öffentlich gut erreichbaren Flughafen.
Carsharing.at - ehemals Denzel Mobility, inzwischen im Besitz des US-Autovermieters Avis - wird beim Ausbau der Stellplätze an der Oberfläche von der Stadt unterstützt. Für die rund 80 On-street-Standorte fallen drei Jahre lang keine Gebühren an, das Unternehmen zahlt nur für Bodenmarkierung und Beschilderung. Denzel hat davor vor allem Garagen genutzt. Bei Carsharing.at muss der Wagen wieder dorthin gebracht werden, wo er abgeholt wurde - das soll dazu führen, dass er nur für länger geplante, größere Ausfahrten verwendet wird. Zahlenmäßig fällt das laut Tadej Brezina, Verkehrsexperte an der TU, allerdings kaum ins Gewicht. "Die Verkehrsreduktion bleibt da unter der Wahrnehmungsgrenze."
Geld- und Platzmangel
Dass man sich von der öffentlich unterstützten Autoteilerei mehr erwartet hat, gibt der grüne Verkehrssprecher Rüdiger Maresch unumwunden zu. "Zum einen lässt da leider die Marktwirtschaft aus - die glauben, wir zahlen alles. Zum anderen fürchten sich die Bezirke vor dem Verlust von Parkplätzen."
Für flächendeckendes Carsharing, das das eigene Auto ersetzen könnte, wären in Wien laut Experte Sammer mehrere tausend Stellplätze nötig - was sehr teuer und schwer umzusetzen ist. Er plädiert deshalb fürs Carpooling: Mehrere Leute nutzen gemeinsam einen Wagen. Ein Konzept, das in Vorarlberg inzwischen ganz gut funktioniert.
Vom Förderprojekt zum Unternehmen
Die vom Verkehrsministerium geförderte Plattform carusocarsharing.at vermittelt potenzielle Autoteiler - und stellt eine Software zur genauen Abrechnung bereit. "Die wird in Österreich und Italien inzwischen von rund 1000 Leuten genutzt", sagt Caruso-Gründer Christian Steger-Vonmetz, der aus dem Förderprojekt nun ein eigenes Unternehmen machen will. Das Konzept habe sich bisher vor allem am Land bewährt "da ist man nicht so anonym wie in der Stadt". Langfristig sei aber auch eine Expansion nach Wien geplant.
Bis dahin ist die umweltschonendste Form des motorisierten Fortbewegens in Wien wohl das stundenweise Mieten eines E-Autos (zum Beispiel bei E-carage.com). Allzu große Sprünge sind damit allerdings nicht möglich: Nach 100 Kilometern ist Schluss. (Martina Stemmer, DER STANDARD, 20.2.2013)