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Pferdefleisch zu verzehren ist unbedenklich, sagt der Experte. Besorgniserregend sei aber der Betrug am Konsumenten.

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Wolfgang Kneifel: "EU-Richtlinien haben Lebensmittelsicherheit deutlich verbessert."

 

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STANDARD: Man findet Pferde- statt Rindfleisch in Nudelgerichten, und schon werden große Teile Europas in Aufruhr versetzt. Gleichzeitig jedoch loben Gourmets die geschmacklichen Qualitäten von Pferdefleisch, und an den Wiener Würstelständen gilt Pferdeleberkäse als traditionelle Delikatesse. Was ist da los?

Kneifel: Es ist etwas falsch deklariert worden, und so kam ein Betrugsdelikt zustande. Das ist ein rein juristischer Tatbestand, natürlich verknüpft mit einem Vertrauensverlust der Konsumenten in Bezug auf bestimmte Produkte, ein bedauerlicher Nebeneffekt. Verschiedene Lebensmittel werden immer wieder in Verruf gebracht, weil die Überwachungsnetzwerke Alarm schlagen. Wir alle sollten aber froh sein, dass es diese Netzwerke gibt, denn früher, als dies noch nicht der Fall war, sind solche Dinge passiert, ohne dass die Öffentlichkeit es so schnell mitbekommen hat. Die verschiedenen EU-Richtlinien und Verordnungen haben die Lebensmittelsicherheit deutlich verbessert.

STANDARD: Gilt Pferdefleisch unter Lebensmittelexperten als minderwertig?

Kneifel: Durchaus nicht. Es wird von Kennern bevorzugt, aber viele Menschen lehnen es ab, weil sie zu Pferden ein besonderes Verhältnis verspüren und deshalb ethische Bedenken haben.

STANDARD: Pferde werden allerdings nicht in Massenbetrieben gemästet, so wie dies bei vielen anderen Schlachttieren der Fall ist. Ist Pferdefleisch dann nicht sogar gesünder und weniger mit Medikamenten wie zum Beispiel Antibiotika belastet?

Kneifel: Eine intensive Pferdehaltung ist in der Tat nicht gegeben, und Pferdefleisch unterliegt, wenn es zum Verzehr gedacht ist, denselben veterinärmedizinischen Anforderungen wie zum Beispiel Rindfleisch auch. Im Kaukasus und in Russland gibt es allerdings schon Pferdefarmen, in denen die Tiere zur Milcherzeugung gehalten werden. Ob deren Fleisch bei uns auf den Markt kommt, kann ich nicht sagen. Das bei uns nun gefundene Pferdefleisch stammt angeblich aus Rumänien. Dort ist in den vergangenen Jahren die Anzahl der Pferdefuhrwerke in der Landwirtschaft stark zurückgegangen. Die Bauern kaufen zunehmend Traktoren, was dann vermutlich zu einem erhöhten Aufkommen von Pferdefleisch geführt hat, und so entstand vielleicht diese Idee einer illegalen Verwendung.

STANDARD: Den getäuschten Verbrauchern droht also kein Risiko, wenn sie solche falsch ausgezeichnete Ware verspeisen?

Kneifel: Ich gehe davon aus, dass dieses Pferdefleisch, wenn es tatsächlich aus Rumänien stammt, kein Phenylbutazon, ein oft bei Turnierpferden eingesetztes Medikament, welches nicht in Lebensmittel gelangen darf, enthält. Und bislang haben die Untersuchungen auch keinen Hinweis darauf ergeben, mit Ausnahme eines einzelnen Falles in Großbritannien, aber dieses Fleisch dort stammte aus einer lokalen Produktion. Das ist ein hausgemachtes Problem.

STANDARD: Wie sicher ist der Nachweis von undeklariertem Pferdefleisch in Lebensmitteln?

Kneifel: Da gibt es verschiedene Methoden. In Frischfleisch kann man das zum Beispiel sehr gut mithilfe der Elektrophorese von Proteinfragmenten untersuchen, und so die einzelnen Tierarten identifizieren. Bei verarbeiteten Produkten wird die PCR-Technik für den Erbgutnachweis angewandt. Damit kann ich praktisch den genetischen Fingerabdruck der verarbeiteten Tiere erkennen, mit mehr als 99-prozentiger Sicherheit.

STANDARD: Gibt es, abseits aller Aufregung, auch ernährungsphysiologische Vorteile, die mit dem Verzehr von Pferdefleisch einhergehen?

Kneifel: Ja. Es hat eine hohe Proteinwertigkeit sowie einen geringen Fettanteil von etwa drei Prozent, ist reich an Eisen und Spurenelementen, und es gibt keinerlei Hinweise auf Stoffe, die allergische Reaktionen auslösen können.

STANDARD: Wie ist die Nutzung von Pferden als Schlachtvieh aus den Gesichtspunkten des Tierschutzes zu bewerten?

Kneifel: Wenn das Pferd zu Fleischzwecken genutzt wird, gelten die gleichen Richtlinien wie für anderes Vieh, auch bei Transport, Schlachtung und Fleischbeschau.

STANDARD: Wie könnten Täuschungen mit Fleisch in Zukunft verhindert werden?

Kneifel: Die Frage ist eher, ob ich durch ein Mehr an Informationen auf der Packung den Konsumenten nicht noch viel stärker verunsichere. Man sollte schon davon ausgehen können, dass sich die Produzenten und Handelsketten an die gesetzlich festgelegten Regeln halten. Die Rahmenbedingungen sind in Ordnung, aber man kann kriminelle Machenschaften nie ganz ausschließen. Kontrollen finden stichprobenartig statt. Auf Basis der internationalen Marktbeobachtung werden jedoch in den einzelnen Staaten Schwerpunktprogramme gestartet, bei denen man in bestimmten Produktsparten verstärkt Kontrollen durchführt. Das ist ein guter Ansatz, um bei auftretenden Problemen ein besseres Bild der Lage zu bekommen. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 20.01.2013)