Die Vereine nutzten die Möglichkeit, bestehende Probleme zu deponieren.

Foto: Regina Aigner

Sandra Frauenberger und Gabriele Heinisch-Hosek üben ein wenig türkisch.

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Die Vereine "Lefö – Beratung, Bildung und Begleitung für Migrantinnen" und "Miteinander Lernen" schenkten Stadträtin Sandra Frauenberger und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek bereits zu Weihnachten Gutscheine für eine Sprachstunde. Spanisch für Frauenberger, Türkisch für Heinisch-Hosek.

Den Sprachunterricht für die Politikerinnen gab es schließlich am Internationalen Tag der Muttersprache (21. Februar). In den Räumlichkeiten von "Lefö" in Wien fanden sich dazu gleich mehrere Organisationen ein, für die Mehrsprachigkeit eine zentrale Rolle in ihrer Arbeit mit Migrantinnen spielt. Alle Vertreterinnen der Vereine waren sich darüber einig, dass die Muttersprachen von MigrantInnen in Österreich alles andere als angesehen sind. Sprachen würden in Österreich unterschiedlich bewertet. Diese Bewertungen, die etwa für Türkisch oder Arabisch niedriger ausfallen als für Französisch oder Englisch, würden sich auch direkt auf jene Personen übertragen, die diese Sprachen sprechen, so Renate Blum von "Lefö".

Gemeinsam mit "Peregrina", "Orient Express" und "Miteinander Lernen" hat sich "Lefö" mit dem Projekt "Mehr Sprachen = mehr [Mit] Sprache" zum Ziel gesetzt, das Phänomen Mehrsprachigkeit genauer zu bearbeiten. Mit Blogs, einer Online-Umfrage und einer theoretischen Recherche will das Projekt beleuchten, welche Rolle Mehrsprachigkeit in der Beratungstätigkeit spielt.

Aufwertung der Muttersprache

Gabriele Heinisch-Hosek unterstrich im Gespräch mit den Vereinen, dass eine Aufwertung der Muttersprache wichtig sei. Den alleinigen Fokus auf "Integration durch Leistung", wie es Staatssekretär Sebastian Kurz formuliert, kritisierte die Frauenministerin als zu einseitig. Statt ständig über Leistung zu reden, sollte vielmehr das vorhandene Potenzial, das durch Mehrsprachigkeit bestehe, in den Vordergrund gestellt werden, so Heinisch-Hosek.

Sandra Frauenberger sieht im schlechten Umgang mit Mehrsprachigkeit auch einen Steigbügelhalter für rassistische Tendenzen. Eine kontinuierliche Arbeit an der Wertschätzung von Mehrsprachigkeit könnte Vorurteilen und einer Rechten Politik vorbeugen.

Diese kontinuierliche Arbeit gewährleisten die Vereine bereits über Jahrzehnte. Sie wiesen auch darauf hin, dass die Möglichkeit von Therapie und Beratung in der Erstsprache, jener Sprache, die einer am nächsten steht, enorm wichtig sei. Diese Möglichkeit bieten Vereine wie "Miteinander lernen" oder "Peregrina", die allerdings keine Kassenverträge für Psychotherapie-Klientinnen haben, was für sie eine große finanzielle Belastung darstellt. Das Angebot von Psychotherapie in der eigenen Muttersprache auf Krankenkasse bestehe für Migrantinnen praktisch nicht.  

Konkrete Probleme

Die anwesenden Beraterinnen und Psychologinnen ließen also ihre Chance nicht ungenützt, den Politikerinnen konkrete Probleme der Vereine vorzutragen. So sei sich die Politik zwar einig, dass Kontinuität in der MigrantInnenarbeit wichtig wäre, andererseits sind die Vereine aber teilweise nur über Projekte finanziert. Doch zumindest in Wien gilt eine Regelung, nach der den Vereinen eine Finanzierung für immerhin drei Jahre zugesichert wird, betonte Frauenberger.

Es gab somit ausreichend Gesprächsstoff zwischen den Mitarbeiterinnen der Vereine und den Politikerinnen. Dennoch blieb noch Zeit für die versprochene Lerneinheit.

Während Sandra Frauenberger von "Lefö"-Leiterin Christina Boidi einige Lektionen in argentinischem Spanisch erhielt, übte sich Heinisch-Hosek in der richtigen Aussprache einiger türkischer Vokabeln. "Dayanışma" zum Beispiel, was Solidarität bedeutet. Oder das verhältnismäßig einfach auszusprechende Wort "Inat", das mit Beharrlichkeit übersetzt werden kann.

Beharrlich und solidarisch beschreibt auch die eindrucksvolle Arbeit der Vereine, die Beratungen in bis zu zehn Sprachen anbieten, und Migrantinnen damit unterstützen, ohne dass diese ihre jeweiligen Werte ablegen müssen - oder ihre Muttersprache. (red, dieStandard.at, 21.2.2013)