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Hafen im pakistanischen Gwadar - China investierte beim Ausbau kräftig mit.

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Chinas neue Rolle als expandierende Seemacht, die fern ihrer Landgrenzen territoriale und wirtschaftliche Interessen zu schützen hat, wird nicht nur durch Patrouillenfahrten ihrer Kriegsschiffe und U-Boote im süd- und ostchinesischen Meer sichtbar. Peking trumpft auch mit seinem ersten Flugzeugträger auf. Und zuletzt lief vom ostchinesischen Qingdao ein Kriegsmarineverband in Richtung Golf von Aden aus. Kein anderer Staat hat sich bei der internationalen Piratenbekämpfung so engagiert wie China, für Peking ist es bereits der vierzehnte Einsatz vor der somalischen Küste.

Kriegsschiffe als Begleiter

Noch müssen stets Versorgungsschiffe mit den Kriegsschiffen mitfahren. Die Volksrepublik unterhält keine militärischen Marinebasen außerhalb ihrer Grenzen. Aber das dürfte sich ändern: Peking verschafft sich Zugriff auf Hafen-Stützpunkte für Handel, Rohstoff- und Energieversorgung. 2010 erregte die größte Staatsreederei "China Ocean Shipping" (Cosco) Aufsehen, als sie mit ihrer Tochter Cosco-Pazifik für Milliardeninvestitionen das Management des Mittelmeer-Containerhafens Piräus in Griechenland übernahm. Cosco gewann so nicht nur Zugang nach Osteuropa, sondern auch zu Fahrtrouten ins Schwarze Meer, nach Zentralasien und Russland.

Jetzt will Peking mit einem weiteren spektakulären Schachzug die Verwaltung von Pakistans Hafen Gwadar übernehmen. Unter Teilnahme von Pakistans Präsident Asif Ali Zardari wurde zuletzt eine entsprechende Absichtserklärung feierlich besiegelt. Innerhalb eines Jahres soll der Vertrag unter Dach und Fach sein. Die China Overseas Ports Holding Company übernimmt dann die Hafenverwaltung aus den Händen der bisher von Pakistans Regierung konzessionierten Hafenbehörde Singapurs (PSA).

"Reines Wirtschaftskalkül"

Chinas Staatsrundfunk meldete, dass es dabei um "reines Wirtschaftskalkül" gehe. Gwadar öffne dem chinesischen Wirtschaftsverkehr und seinen Energieimporten einen um Tausende Kilometer verkürzten Überlandkorridor. Mit dem Hafen würde Pekings Handelsflotte direkten Zugang zum Arabischen Meer, der Straße von Hormus und zu Rohstoffen aus Afrika und dem Mittleren Osten gewinnen. Chinas unterentwickelte Westprovinzen könnten künftig direkt über den Landweg und einer geplanten Frachtbahn von Gwadar aus mit Erdöl und anderen Rohstoffen versorgt werden. Peking führte 2012 weltweit 270 Millionen Tonnen Öl ein, 60 Prozent des Verbrauches müssen importiert werden.

Westen übertrieben alarmiert

Es gehe nur um Öl, versicherte ein Leitartikel im patriotischen Parteiblatt Global Times zuletzt. Militärische oder strategische Bedenken gegen das Hafenprojekt seien "völlig unbegründet". Energiesicherheit spiele "eine entscheidende Rolle für Chinas Aufstieg." Daher zeige sich der Westen jedes Mal übertrieben "alarmiert", wenn es um chinesische Energieinteressen im Ausland geht. Zwar habe jeder Hafen auch "einen potenziellen militärischen Wert". China verfolge aber keine Strategie der "Einkesselung und Kolonisierung von überseeischen Gebieten."

Das sieht Pakistans Nachbar Indien kritischer: Verteidigungsminister Arackaparambil Kurien Antony nannte es Anfang Februar "besorgniserregend" , wenn China künftig einen "strategisch so wichtigen Tiefsee-Hafen wie Gwadar managt." Indische Zeitungen erinnerten an das im Mai 2011 China gemachte Angebot des damaligen pakistanischen Verteidigungsminister Ahmad Mukhtar, künftig im Hafen Gwadar einen Marinestützpunkt einzurichten.

Auch die USA beobachten genau hin, was in Gwadar passiert. Das Pentagon hatte 2004 das geflügelte Wort von Pekings "Strategie der Perlenkette" geprägt. Es meinte damit alle Unternehmungen, entlang der Küsten Asiens, des Nahen Ostens und Afrikas Fuß zu fassen. Peking folge einem historischen Vorbild. Auf den alten Seerouten, die den mingzeitlichen Seefahrer Zheng He durch die Straße von Malakka nach Hormus zur arabischen Halbinsel und von Iran bis nach Ostafrika brachten, liegen heute lebenswichtige See- und Transportwege für Chinas Nachschub an Öl und Rohstoffen.

Peking schaffe sich über Handelskontakte, großzügige Kredite, den Bau von Häfen und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur entlang der Küsten strategische Anlaufstellen. Solche "Perlen", die Chinas Engagement zum Schimmern bringt, könnten, so fürchten zumindest die USA, künftig zu Marinenbasen werden.

Zheng Hes Route

Auf der vierten seiner sieben Reisen segelte Zheng He 1415 an der Küste bei Gwadar vorbei. Der neue Hafen ist die westlichste Perle der Kette um Indien herum. Weitere leuchten in Nepal, wo China etwa einen 14 Millionen US-Dollar teuren "Trockenhafen" in Larcha baute. In Bangladesh bewirbt Peking sich um einen fünf Milliarden US-Dollar Auftrag zum Bau eines Tiefwasserhafen im Golf von Bengalen. In Sri Lanka hat Peking mit hohen Krediten den Tiefwasserhafen Hambantota finanziert.

Seit März 2002 haben chinesische Firmen den Öl- und Container-Tiefseehafen von Gwadar ausgebaut. Peking übernahm 75 Prozent Anteil an der anfänglichen Finanzierung von 250 Millionen US-Dollar, schrieb China Daily. 2007 wurde der Hafen fertig. Bis auf eine Straße nach Karachi gibt es noch keine Anschlüsse an das nationale Verkehrsnetz, keinen Flughafen oder eine Bahn. Daran scheiterte auch Singapurs PSA.

Amerikanischer Druck

Überraschend hatte sie 2007 statt Chinas Hafenkonzern die Betreiberrechte erhalten. Der damalige pakistanische Staatschef Pervez Musharraf soll sie auf Drängen der USA vorgezogen haben. Pakistans Regierung entschied nun Ende Jänner aber, der PSA die Konzession zugunsten Chinas Gruppe zu entziehen.

Die Kontrolle über die Transport- und Schifffahrtswege drohen die Weltmeere zu neuen Konfliktherden zu machen. US-Militärtheoretiker Robert D. Kaplan warnte davor schon 2005: Eine maritime Aufrüstung Chinas werde über kurz oder lang Chinas Marine in den Pazifik vorstoßen lassen und damit zu einem neuen "kalten Krieg" mit den USA um die dortige Vorherrschaft führen. Kaplans Thesen machten Furore zu einer Zeit, als Chinas Führung noch heftig bestritt, jemals einen Flugzeugträger bauen oder seine Marine in großem Stil entwickeln zu wollen. Damals kochten die Emotionen auch im ost- oder südchinesischen Meer noch nicht auf. (Johnny Erling, DER STANDARD, 23/24.2.2013)