Wien - Adolf Eichmann ist gerade für die österreichische Geschichtsaufarbeitung interessant: Der SS-Obersturmbannführer wurde vor 75 Jahren, im März 1938, nach dem Anschluss Österreichs an Nazi-Deutschland, nach Wien geschickt. Hier machte er sich erstmals einen Namen in der NS-Bürokratie.

Eichmann, der in Deutschland geboren, aber in Linz aufgewachsen war und lange in Österreich gelebt hatte, war in Wien für die Organisation der Zwangsauswanderung der jüdischen Bürger verantwortlich. In acht Monaten verließen 45.000 Juden Österreich. Eichmann straffte den bürokratischen Ablauf, der für Ausreise und Enteignung notwendig war. Nach dem Beginn der "Endlösung" war Eichmann für die Organisation der Deportationen in die Konzentrationslager verantwortlich. Er war als Sektionsleiter im Reichssicherheitshauptamt tätig und damit dem Befehl von SS-Chef Heinrich Himmler unterstellt. So fiel in seine Verantwortung die Verschleppung der ungarischen Juden 1944. Im Zuge der Aktion wurden mehr als eine halbe Million Juden ermordet.

Eichmann tauchte nach dem Krieg in Argentinien ab, wo er von israelischen Agenten entführt und 1961 in Jerusalem vor Gericht gestellt wurde. Hannah Arendt berichtete über den Prozess für den New Yorker, aus den Artikeln entstand das Buch Eichmann in Jerusalem - Ein Bericht von der Banalität des Bösen.

Zu Arendts Kernthesen zählt, dass Eichmann nicht, wie von der Anklage behauptet, Hauptinitiator des Holocaust war. Vielmehr haben ihn Kadergehorsam und persönlicher Ehrgeiz angetrieben. Der Jüdin Arendt ist es gelungen, einen tiefen Einblick in die bürokratischen Abläufe des NS-Regimes zu geben. Heftig kritisiert wurde sie wegen der Betonung der Kooperation jüdischer Räte mit den Nazis. Arendt argumentierte, dass in einem totalitären Herrschaftssystem der moralische Kollaps auf allen Seiten der Gesellschaft stattfindet, selbst bei den Opfern. Eichmann wurde in allen 15 Anklagepunkten für schuldig befunden, darunter der " Tötung von Millionen Juden". Er wurde am 31. Mai 1962 gehängt. (szi, DER STANDARD, 23./24.2.2013)