"Der Staat Österreich hat mir zwei Studien finanziert, und nun will ich Österreich durch meine Arbeitskraft etwas zurückgeben", sagt Natalia Zambrano Jaramillo.

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Gelobt wurde sie als "flexibles neues Zuwanderungssystem", klare und transparente Regeln sollte sie bringen: Anfang Juli 2011 trat der neue Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte" in Kraft. Das Ziel war, hoch qualifizierte Arbeitskräfte aus Drittstaaten nach Österreich zu holen. Doch im Fall der 29-jährigen Natalia Zambrano Jaramillo bewirken die Regelungen nun genau das Gegenteil: Die junge Frau, die bereits seit elf Jahren in Österreich lebt und hier zwei Studien abgeschlossen hat, muss in ihr Geburtsland Kolumbien zurückkehren. "Ich habe immer gedacht: Wenn ich zurückgehe, dann freiwillig. Jetzt ist es anders", erzählt sie. "Dort muss ich von null anfangen, obwohl ich hier mein ganzes Leben aufgebaut habe."

 Mit 17 Jahren kam Zambrano mithilfe eines Austauschprogramms nach Österreich und lebte zunächst ein Jahr lang bei einer Familie in Vöcklabruck. "Ich war von diesem Land, seinen Leuten und seiner Kultur fasziniert", erinnert sich Zambrano. Ein österreichisches Stipendium ermöglichte es ihr dann, in Wien ein Diplomstudium der Politikwissenschaft und den Masterstudiengang für Höhere Lateinamerika-Studien mit Auszeichnung zu absolvieren. "Der Staat Österreich hat mir zwei Studien finanziert, und nun will ich Österreich  durch meine Arbeitskraft etwas zurückgeben", so Zambrano. Doch nicht einmal die Jobzusagen, die sie jetzt in der Tasche hat, nützen ihr etwas - sie muss in weniger als zwei Wochen das Land verlassen.

"Unmenschlicher Schildbürgerstreich"

Der Grund: Ihr Visum ist abgelaufen, und für den Erhalt einer Rot-Weiß-Rot-Karte für StudienabsolventInnen verdient sie zu wenig. Mindestens 1.998 Euro brutto im Monat und ein fixes Angestelltenverhältnis müsste sie dafür vorweisen können. Der Verein SOS Mitmensch, an den sich Zambrano gewandt hat, kritisiert, dass dieses Einstiegsgehalt insbesondere für AbsolventInnen der Sozialwissenschaften realitätsfremd sei. Mehrere Jobs darf Zambrano nämlich nicht ausüben, und auch Werkverträge werden nicht akzeptiert. "Ich verstehe nicht, warum ich hier keine Chance bekomme", sagt Zambrano gegenüber daStandard.at. Sie hat versucht, einen Job nach den vorgegebenen Kriterien zu finden - doch die Einkommensgrenze würde sie nur auf Werkvertragsbasis erreichen.

Ein anderer Weg für Zambrano wäre, die österreichische Staatsbürgerschaft zu beantragen. Doch diese erhält sie nur, wenn sie über einen Zeitraum von drei Jahren mindestens 1.000 Euro netto im Monat verdient hätte - als Studentin war das für sie aber nicht möglich. Zambrano war finanziell auf ihre Eltern angewiesen. Für SOS-Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak ist es unverständlich, "dass jemand, der so lange in Österreich lebt, per Gesetz noch immer nicht berechtigt ist, hier zu bleiben." SOS Mitmensch bezeichnet den Fall Zambrano als "unmenschlichen Schildbürgerstreich“ und fordert die Regierung dazu auf, Zambrano einen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen und realistische Einkommenshürden zu schaffen.

Reformbedarf bei Rot-Weiß-Rot-Karte

Der bürokratische Dschungel bleibt selbst für die Verantwortlichen ein Rätsel: "Viele der Angestellten in den Behörden kennen sich selbst nicht aus", sagt Zambrano. "Ich wurde von einer Person zur nächsten geschickt, um dann wieder keine brauchbaren Antworten zu bekommen. Ich hörte oft, mein Fall sei zu speziell.“

Die Folge: Uni-AbsolventInnen aus Drittstaaten wandern nach dem Studium reihenweise wieder aus - nur 16 Prozent bleiben. Auch andernorts hat die Rot-Weiß-Rot-Karte noch Aufholbedarf. So werden etwa keine Bachelorabschlüsse anerkannt. Die Karte wird derzeit nur an AbsolventInnen mit Master- oder Diplomabschluss vergeben. Eine Änderung dieser Regelung wurde bereits mehrmals gefordert.

Zambrano machte ihre Geschichte öffentlich, um Bewusstsein zu schaffen: "Als die Rot-Weiß-Rot-Karte in Kraft getreten ist, haben alle gesagt, dass es für uns leichter wird. In der Realität stimmt das aber nicht." Zurück in Kolumbien müsste sie ein Jahr lang warten, um in Österreich wieder ein Visum beantragen zu dürfen. Doch das hat sie nicht vor: "Wenn ich daran denke, wie die letzten sechs Monate für mich waren, würde ich es nicht noch einmal versuchen." Ihren Mietvertrag hat sie schon gekündigt, einige Sachen sind bereits gepackt. Sie wünscht sich, bleiben zu können, glaubt es aber nicht. Weder ihr Studium noch ihre Jobzusagen oder ihr jahrelanges ehrenamtliches Engagement (unter anderem bei der Volkshilfe) bringen ihr jetzt etwas: "Ich fühle mich ohnmächtig und wütend, aber ich habe zumindest alles getan, was ich konnte." (Jelena Gučanin, daStandard.at, 26.2.2013)