Kein Einheitsbrei: Im April wird es in Wien einen Supermarkt mit auschließlich veganen Produkten geben.

Foto: Veganz

Die Veganz-Supermarktkette wurde von Jan Bredack gegründet. Für ihn ist Wien die "Veggie-Hauptstadt" Europas.

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Obst und Gemüse werden zum großen Teil regional bezogen.

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Jan Bredack war schon mit 30 Jahren leitender Manager bei Daimler, hatte eine Familie mit drei Kindern und sein Hobby war der Triathlon. Ein Leben auf der Überholspur. Doch mit Ende Dreißig schlitterte er in eine Lebenskrise und orientierte sich komplett neu. Statt mit teuren Luxusautos verdient er nun sein Geld mit Trinkhanf, Seitanschnitzel oder Scampi aus Wurzeln

Im Juli 2011 eröffnete Bredack den ersten komplett veganen Supermarkt der Welt in Berlin-Prenzlauer Berg. Seinen Ehrgeiz hat er sich trotz des Lebenswandels erhalten. "In den nächsten drei Jahren soll Veganz mit 20 Filialen in Europa vertreten sein", lauten seine Pläne. Im April eröffnet nun ein Standort in Wien-Mariahilf.

Einkaufen als "Detektivarbeit"

Die Idee zur Gründung eines veganen Supermarkt entstand durch die eigene Erfahrung als Veganer. Lebensmittel einzukaufen bedeutete statt Lust eher lange Recherche im Reformhaus, Bio-Supermarkt oder Internet. Die "Detektivarbeit", was Lebensmittel enthalten, nimmt er den Veganz-Kunden ab.

Zweieinhalb Jahre reiste Bredack dafür durch die Welt und suchte Produkte und Lieferanten zusammen. Neben vegan sind fair und bio Voraussetzung, um in den Regalen zu landen. Genauso gehört für den Ex-Daimler-Manager dazu, dass er seine Angestellten besser bezahlt als deren Kollegen im Lebensmittelbereich.

Fleischloser Lebensstil als Mainstream

Rund 500.000 Euro kostet der Aufbau eines neuen Supermarktstandorts. Im Budget sind Logistik, Vorarbeit, Lagerung und Marketing enthalten. Doch bereits im ersten Jahr schrieb Veganz schwarze Zahlen, ein Standort macht rund 1,5 Millionen Euro Umsatz pro Jahr.

Jan Bredack hatte nach eigenem Bekunden zu keiner Zeit Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war, seinen gut bezahlten Managerjob an den Nagel zu hängen und das Abenteuer des Aufbaus einer veganen Supermarktkette zu wagen. Die Entwicklung werde so wie in den USA weitergehen, wo der vegane Mainstream schon zum guten Ton gehöre, ist er überzeugt. In Frankfurt am Main und Berlin-Friedrichshain gibt es seit heuer zwei weitere Filialen. Es werden nach Wien heuer noch Hamburg und Leipzig folgen.

Vegan ohne Urteil über andere Lebensweisen

Für Bredack ist vegan nicht nur Ernährung, sondern eine Lebensweise, durch die er kein Leid verursacht: "In unserer Zivilisation und mit unserer Physiognomie ist das eine Möglichkeit und bringt uns zudem gesundheitliche Vorteile." Er selbst hätte immer unter Ekzemen gelitten. Seit fünf Jahren verzichtet er auf tierische Produkte und hat seither keine Hautprobleme mehr. Zudem seien sein immer wieder kehrender Heuschnupfen und die Migräne verschwunden.

Er spart jedoch nicht mit Selbstkritik an der eigenen Community: "Die Veganer haben sich teilweise auch selbst ins Abseits geschossen, indem sie andere verurteilt haben." Einer kleinen Gruppe an radikalen Veganern, die mit ihrer Lebensweise auch einen Protest gegen die Gesellschaft ausdrücken wollen, ist die Supermarktkette ein Dorn im Auge. Zu schick und kommerziell ist ihnen die Präsentation, im Internet kursieren sogar vereinzelt Boykott-Aufrufe in Foren.

Weite Transportwege mit Schiff

Der Veganz-Geschäftsführer wolle aber nicht "bekehren", sondern den Leuten zeigen, dass vegan leben nichts mit Verzicht zu tun haben muss: "Wir wollen viel lieber bei einem Kaffee und einem veganen Kuchen in unserem Bistro die Menschen inspirieren."

Anregungen können neugierige Besucher genug finden: 6.000 vegane Produkte werden bald in der Stumpergasse im sechsten Wiener Gemeindebezirk unweit des Westbahnhofs erhältlich sein. Dazu gehören etwa frisches Obst und Gemüse, Steaks aus Soja, in Plastik verschweißte Braten aus Weizeneiweiß und sogar Tierfutter, Zahnpasta und Waschmittel.

Rohkäse aus Cashewnuss, Schokolade ohne Milch

Besonders beliebt sind Rohkostprodukte, die nicht mit Hitze behandelt wurden. Die frischen Produkte werden regional bezogen, was auch in Österreich der Fall sein wird. Doch auch Fleisch- und Käseersatz findet guten Absatz. Im Moment gibt es 77 verschiedene Käsesorten, dazu gehört zum Beispiel der Rohkostkäse aus Cashewnüssen. Weiters sind vegane Schokolade und Kosmetik sehr beliebt. Zwei Drittel des Sortiments führt Veganz exklusiv. Die Produkte aus dem Ausland werden mit dem Schiff importiert, was den ökologischen Fußabdruck verbessern soll.

Ergänzend wird es ein Bistro und einen Backshop mit Brot und Kuchen - in Kooperation mit einem bekannten Wiener Unternehmen - geben. Den Namen der Firma verrät Bredack noch nicht, da die Verhandlungen noch nicht abgeschlossen sind. "Wien ist für uns ein gutes Pflaster, da es die Hauptstadt der Vegetarier ist", erklärt der Geschäftsführer die Wahl des ersten Standorts außerhalb Deutschlands.

Schluss mit mühsamer Nahrungssuche

Das Angebot richtet sich jedoch nicht nur an Veganer und Vegetarier. Laut internen Untersuchungen verzichten 60 Prozent der Veganz-Kunden nicht auf Fleisch. Auch Menschen mit Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten mussten sich ihr Essen bislang mühsam zusammen suchen. "Und viele Leute wollen auch einfach einmal etwas anderes als den Einheitsbrei, den es in allen anderen Supermärkten gibt", sagt Bredack. (Julia Schilly, derStandard.at, 5.3.2013)