derStandard.at besuchte wenige Stunden vor der Landtagswahl in Kärnten Wahlkampfveranstaltungen.


Kärnten-Tour von derStandard.at (Krumpendorf, Hermagor, Kirchbach, Villach, Klagenfurt) auf einer größeren Karte anzeigen

Donnerstag, 11.30 Uhr, Café Platzl in Krumpendorf, Peter Kaiser wird erwartet

42 Veranstaltungen absolviert Peter Kaiser, Spitzenkandidat der Kärntner SPÖ, in vier Tagen, eine davon ist in einem kleinen Rauchercafé in Krumpendorf am Wörthersee. Ungefähr 70 Leute drängen sich in dem Café aneinander, einer von ihnen ist Ronald, 38, aus Eisenstadt, der seit Sommer 2011 in Klagenfurt lebt. Ronald ist extra gekommen, um Kaiser kennenzulernen. Es ist sein zweiter Versuch, in Klagenfurt ist er zu spät gekommen und hat nur noch einen Teil der Rede gehört. Die Veranstaltung ist für den 38-Jährigen wahlentscheidend, obwohl er kaum Alternativen sieht. Er findet zwar Rolf Holub von den Grünen einen guten Politiker, die Grünen sind ihm aber insgesamt zu naiv. An der FPK stören ihn die Phrasen und die leeren Versprechungen. Dass diese von niemandem hinterfragt, sondern von allen geglaubt werden, hält er für gefährlich.

Als Peter Kaiser mit seiner Entourage ins Café kommt, herrscht hektisches Treiben. Der Spitzenkandidat begrüßt jeden Gast einzeln, eine Frau verweigert ihm den Handschlag. Etwas unbeholfen wirkt der Herausforderer von Gerhard Dörfler, das Wahlkämpfen liegt ihm nicht im Blut.


Wähler Ronald trifft SPÖ-Spitzenkandidat Peter Kaiser.

In seiner Rede appelliert Kaiser an seine Anhänger: "Vergessen wir nicht, warum wir am Sonntag wählen", die FPK habe 42 Skandale zu verantworten. Es sei Zeit für eine Wende in Kärnten, jetzt sei die Chance da. Er wiederholt die Koalitionsabsage an die FPK und bezeichnet deren Kampagne mit dem Zukunftsfonds als "primitiven Stimmenkauf mit dem letzten Landesvermögen".

Nach seiner Rede gibt es noch die Gelegenheit, mit Kaiser zu reden und zu diskutieren. Ronald wurde in seinen Erwartungen bestätigt. Ihn überzeugen die Ruhe und Gelassenheit von Kaiser. Ob das auch auf die Besucher, die im vorderen Teil des Cafés Platz genommen haben, zutrifft? Sie haben demonstrativ ihre BZÖ-Feuerzeuge auf den Tisch gelegt.

Donnerstag, 15.30 Uhr, Hermagor, BZÖ, Wahlkämpfen am Limit

BZÖ-Chef Josef Bucher lächelt von einem Plakat in der Bezirkshauptstadt im Gailtal. Neben FPK und Team Stronach sind die Orangen eine von nur drei Parteien, die in diesem Wahlkampf mit Plakaten werben. Dass das BZÖ den Einzug in den Landtag schaffen wird, ist aber trotz Plakaten alles andere als fix.  


Bucher-Plakat im Gailtal.

Ein paar Kilometer weiter treffen wir zwei Wahlkampfhelfer des BZÖ. Sie sind sehr skeptisch und wollen keine Journalistenfragen beantworten. Fotos dürfen auch keine gemacht werden. Nach einigem Hin und Her erzählen sie, dass sie jeden Tag 20 Stunden unterwegs seien und sich schon freuen, wenn der Wahlkampf am Samstagabend vorbei sein wird. Am Donnerstag waren sie im Lesachtal unterwegs. Ihr Eindruck von der Stimmung dort: "Viele Leute sind noch unentschlossen und wissen nicht, wen sie wählen sollen."

Donnerstag, 16 Uhr, Waidegger Wirt in Kirchbach im Gailtal, Heimspiel für Gabriel Obernosterer

Auch Gabriel Obernosterer befindet sich im Wahlkampffinale. Erst um 5.30 Uhr sei er von einer Diskussion in Wien gekommen, der neue Tag habe für ihn aber schon um 9 Uhr mit der ersten Veranstaltung begonnen. Trotzdem ist es für ihn einer der angenehmeren Tage, besucht er doch seine Heimatgemeinde Lesachtal und die benachbarten Ortschaften.

Beim Waidegger Wirt, einem großen Wirtshaus in Kirchbach, füllt sich langsam die Bar. Wahlkampfhelfer teilen Streichhölzer und "Nimm 2"-Zuckerln aus. Es kommen hauptsächlich männliche Pensionisten, die sich die Rede des Kärntner ÖVP-Chefs anhören wollen. Der gibt sich volksnah und bodenständig. Er erzählt von der vorangegangenen Veranstaltung in seinem Heimatdorf Lesachtal, wo er alle von klein auf kenne, und bindet die Anwesenden in seine Einführungsworte ein, etwa den Rudi, der mit ihm um die Häuser gezogen sei, und erzählt von seinem bevorstehenden Hochzeitstag. Man merkt, dass er sich in der Umgebung wohl fühlt. Im breiten Dialekt, der mehr Osttirol als Kärnten zuzuordnen ist, spricht er davon, was die ÖVP anders machen würde.


Gabriel Obernosterer kämpft beim Wirt um Stimmen.

Korruption sei "keine Kärntner G'schicht allein", aber es sei der richtige Weg, wenn man die Lehre daraus ziehe und aus der Vergangenheit gelernt habe. Deswegen sei es wichtig gewesen, die Partei neu aufzufahren. Obernosterer erwähnt den Namen seines Vorgängers Josef Martinz nicht, allgegenwärtig ist er trotzdem. Der Parteichef spricht von der Abwanderung, wovon besonders das Gailtal betroffen ist, und dem Nein der ÖVP zu einer Reichensteuer. Er will Arbeitsplätze schaffen und die Budgetsituation verbessern. Die Wahl sei eine Richtungswahl, Obernosterer gibt sich der Hoffnung hin, dass ein zweiter Landesrat im Bereich des Möglichen liege.

Auch die ÖVP-Doppelspitze wird besprochen. Landesrat Wolfgang Waldner bringen die Kirchbacher Skepsis entgegen. Ob es stimmt, dass er die Politik verlassen werde, wenn er nicht mehr Landesrat werde? Es sei ungeschickt gewesen, das im Vorhinein zu thematisieren, meint ein Kirchbacher. Obernosterer muss Waldner verteidigen. Ein Wolfgang Waldner sei so gut qualifiziert, dass er sich alle Möglichkeiten offen lassen müsse. Nur ein Landtagssitz wäre zu wenig.

Donnerstag, 20 Uhr, Villach, Disco-Bowlen bei Freigetränken und Tombola mit der jungen FPK

Kurt Scheuch hat abgesagt. Im Bowlingcenter ist schon alles vorbereitet: Gerhard-Löwen, blaue Sonnenbrillen, Kugelschreiber und Feuerzeuge. Der "Club Kärnten", eine Vorfeldorganisation der FPK, veranstaltet einen Wahlkampfabend für Jungwähler. Auch FPK-Obmann und Jugendreferent Kurt Scheuch wird erwartet, erscheint aber nicht, weil er "andere wichtige Termine" hat, wie die Veranstalter bedauern.

Die Veranstalter? Das sind junge Kärntnerinnen und Kärntner, die dafür kämpfen, dass die FPK bei der Wahl am Sonntag vorne liegt. "Die ersten 150 Gäste erhalten einen Getränkegutschein im Wert von fünf Euro", werben sie im Vorfeld des Abends. Doch die Veranstaltung geht nur zögerlich los. Bisher wird der Getränkegutschein jedem Besucher überreicht, es sind maximal 40 Gäste gekommen, um bei Disco-Musik und Wodka-Orange im "V-Bowl Villach" die Kugel zu schieben.

Die Organisatoren lassen nicht locker und versuchen mit einem Gewinnspiel, Besucher des angrenzenden Lokals hinüber zu den Bowlingbahnen zu lotsen. Wer am Glücksrad dreht, hat die Chance auf "viele tolle Sachpreise". Hauptgewinn ist eine Wii-Konsole. "Blau gewinnt", steht auf dem Glücksrad geschrieben. Wenn der Pfeil auf einem blauen Feld zu stehen kommt, darf man an der abschließenden Verlosung teilnehmen.

Eine blonde junge Frau erklärt die Regeln und kümmert sich darum, dass niemand schummelt. "Bei uns hat jeder eine zweite Chance", ermuntert sie Teilnehmer, ein zweites Mal zu drehen, wenn sie beim ersten Mal kein Glück hatten. Sie trägt eine blaue Sonnenbrille im Haar, so wie alle Organisatoren des Abends.


Markus und Roman rechnen mit 35 Prozent für die FPK.

Auch Roman, 22, und Markus, 21, sind Mitglieder des "Club Kärnten". Sie suchen das Gespräch mit den Gästen und fiebern dem Wahlsonntag schon gespannt entgegen. Markus ist Bürokaufmann und engagiert sich bei der FPK, seit er 18 wurde. Auch sein Freund Roman ist schon jahrelang dabei. "Der Haider war oft im Gasthaus meiner Eltern", erzählt der Wirtschaftsstudent. Daher sei er schon früh von der Politik fasziniert gewesen. Noch elf Tage vor seinem Tod sei Haider in seiner Ortschaft im Bezirk Villach-Land gewesen und habe ein Lokal eröffnet. "Der Schock war schon groß, als er dann gestorben ist", sagt Roman. Markus besuchte sogar das Begräbnis des ehemaligen Landeshauptmanns.  

"Haider spielt jetzt aber keine große Rolle mehr", sagt Roman. Im Nachhinein könne man sich auch die Frage stellen, "ob das Geld immer richtig angelegt" wurde. Dass die FPK am Sonntag eine große Niederlage einfahren wird, glauben die beiden dennoch nicht. "Ich glaube den Umfragen nicht, dass wir nur 25 Prozent erreichen werden. Da muss man noch mal zehn Prozent dazurechnen", gibt sich Markus optimistisch.

Freitag, 11.55 Uhr, Klagenfurt, die Grünen essen Nudeln und wollen in die Landesregieurng einziehen

Es gibt Spinatnudeln. Um "fünf vor zwölf" treffen sich die Grünen am Alten Platz in Klagenfurt und feiern das Wahlkampfende. "Fünf vor zwölf", das meinen die Grünen auch im übertragenen Sinn. Jetzt sei die Zeit gekommen, in die Landesregierung einzuziehen. Aus Wien sind Bundesobfrau Eva Glawischnig und Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner angereist. Die Sonne scheint, eine Jazzband spielt und Glawischnig würdigt Rolf Holub, den Spitzenkandidaten der Kärntner Grünen, für seine "unglaubliche Hartnäckigkeit" in den vergangenen Monaten. Für sie ist Holub "einer der bemerkenswertesten Grünen, die ich kennengelernt habe".



Rolf Holub hält eine Rede vor seinen Mitstreitern.

Als Holub die Bühne erklimmt, rufen ihm seine Sympathisanten zu: "Holub for President!" Er wirkt zufrieden mit dem bisherigen Wahlkampf und freut sich auf den "grünen Frühling", der ab Montag in Kärnten einkehren und den "kalten blauen Winter" ablösen werde. Holub sagt, die richtige Arbeit werde dann beginnen und es werde zehn Jahre an Aufarbeitung dauern, "bis wir die ganzen Gauner im Häf'n haben und nicht mehr auf der Regierungsbank".

Doch nicht nur Grünen-Sympathisanten sind zum Alten Platz gekommen. Auch vier junge Mädchen mit blauen FPK-Brillen haben sich unter die Menschen gemischt. Ein alter Mann, der zwar gerne die Nudeln der Grünen isst, aber sie am Sonntag nicht wählen wird, sagt: "Wissen Sie, was das Beste an den Grünen ist? Dass sie dieselbe Farbe haben wie wir Jäger." (Marie-Theres Egyed/Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 1.3.2013)