Gottfried Helnweins Porträt von Andy Warhol entstand 1983 in dessen Factory und entlarvt den Selbstdarsteller im Endstadium.

foto: g. helnwein/kunsthandel mitmannsgruber

1985 bahnte sich an der Akademie der bildenden Künste ein Wechsel bei der Leitung der Meisterklasse für Malerei an. Gottfried Helnwein, lautete die Empfehlung des amtierenden Rudolf Hausner. Ein Vorschlag, der von der Professorenschaft jedoch empört abgelehnt wurde. "Nur über meine Leiche", soll Maximilian Melcher seine Entscheidung als Rektor der Überlieferung nach endgültig besiegelt haben.

Der Rest der Welt ließ sich von solchen Scharmützeln nicht beirren, weder die nach seinen Arbeiten gierenden Sammler, noch Museumskuratoren oder -direktoren: Im gleichen Jahr gewährte die Albertina den Kunstwerken des ehemaligen Absolventen der Höheren Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt (Wien) über eine umfangreiche Präsentation nach 1979 zum zweiten Mal Quartier.

Kleine Vorhut zur großen Schau

Nun steht ab Mai (25. 5. - 25. 8.) eine Retrospektive ins Haus, die als bisher umfangreichste im deutschsprachigen Raum angekündigt wird. Derzeit laufen noch die Vorbereitungen, erzählt Albertina-Kuratorin Elsy Lahner: Endauswahl der mehr als 100 zu zeigenden Werke, Katalogproduktion et cetera. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt einerseits auf frühen Aquarellen sowie Buntstift- und Tuschzeichnungen, dazu Aktionsfotos und Polaroids (Serie Poems) sowie andererseits auf zentrale Werkgruppen (u. a. Righteous Men, Paradise Burning, Los Caprichos). Die Acrylfarben auf dem jüngsten Leinwand-Epos des mittlerweile in Los Angeles und Irland residierenden Künstlers sollen dem Vernehmen nach noch gar nicht trocken sein.

Auf dem internationalen Kunstmarkt und vor allem in der Auktionsbranche sind Helnweins kaum anzutreffen. Seine Sammler scheinen sich nur selten von seinen Arbeiten zu trennen. Eine Theorie, die die Kuratorin über die 40 hauptsächlich privaten Leihgeber bestätigen kann: Frühe Werke fanden sich vor allem in Österreich und Deutschland, solche ab den 1990ern in internationalen Gefilden, etwa in den USA. Dort notierte Sotheby's 2011 in New York auch den vorläufigen Künstlerweltrekord für ein Gemälde ( Midnight Mickey, 80.600 Euro). Hierzulande bildet aktuell ein vom Kunsthandel Mitmannsgruber anlässlich der Kunst & Antiquitätenmesse im Künstlerhaus (bis 10. 3.) offeriertes Konvolut von Vintagefotografien aus der Serie Faces (1982-1992) die Vorhut zur musealen Retrospektive.

Man kann unzählige Bilder ebendieser Idole gesehen haben, formulierte es Reinhold Mißelbeck, langjähriger Leiter der Fotosammlung am Museum Ludwig (Köln), "und meint doch, ihnen hier zum ersten Mal zu begegnen, sie zumindest noch nie in dieser Nähe erlebt zu haben": einen fetten Lech Walesa, dessen "selbstzufriedene Aufgedunsenheit nicht mehr ins Bild" passen will; den Selbstdarsteller Andy Warhol, "der vor seinem Tod ungezählte 'letzte Bilder' von sich hat schießen lassen, in einer Pose, die wahrhaftig an ein Endstadium denken lässt". Damals, in den 1980er- und frühen 1990er-Jahren, galten diese Menschenbilder als Gegenpol zu klassisch inszenierten Fotografie, etwa auch zur technisch ausgefeilten Glätte eines Robert Mapplethorpe.

Ob im Falle Mick Jaggers (11.000 Euro), H. C. Artmanns, Andy Warhols (ab 7000 Euro) oder mit seinen Selbstverstümmelungen (ab 3000 Euro), Helnwein bot eine neuartige Sicht auf das Gegenüber, in dem er sowohl Eigenheiten der Personen enthüllte als auch mit diesen Namen verknüpfte Klischees. (Olga Kronsteiner, Album, DER STANDARD, 2./3.3.2013)