"Man kann zelluläre Signalwege nicht in Isolation betrachten, sondern nur als das komplexe Netzwerk, das sie darstellen", sagt Manuela Baccarini, die mit ihrem Team die Verlinkungen innerhalb der Zelle untersucht.

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Das Wachstum und das Überleben von Zellen wird über Signale gesteuert. Wie fein ausbalanciert solche Signalwege im komplexen Geschehen einer Zelle sein müssen, haben nun Wissenschafter an den Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien gezeigt. Ein einzelnes Protein reguliert zwei Signalwege, die ihrerseits Zellwachstum und -überleben steuern. Wenn die Balance zwischen diesen Signalen aus dem Gleichgewicht kommt, kann das zum unkontrollierten Zellwachstum und möglicherweise zur Krebsentstehung führen.

Signalkaskaden in der Zelle

Die Zellen des Körpers müssen eine Vielzahl von Signalen aus ihrer Umwelt wahrnehmen und verarbeiten. Die Wahrnehmung solcher Signale erfolgt über Rezeptoren an der Zelloberfläche, die wiederum regelrechte Signalkaskaden in der Zelle auslösen. Diese Signalwege teilen den Zellen unter anderem mit, ob sie wachsen und sich vermehren sollen oder ob ein Angriff von Bakterien oder Viren abgewehrt werden muss.

In einem speziellen Signalweg - von den Forschern nach dem beteiligten Protein "ERK" genannt - werden vier Proteine nacheinander aktiviert. Sie regulieren damit so entscheidende Prozesse wie die Embryonalentwicklung, die Differenzierung von Zellen, das Zellwachstum und den programmierten Zelltod.

Von einem der dabei involvierten Proteine gibt es zwei Schwesterformen (MEK1 und MEK2). Vor einigen Jahren zeigte das Team von Manuela Baccarini von den MFPL, dass die beiden Proteinformen einen Komplex bilden, der nur deaktiviert werden kann, wenn beide Partner gemeinsam vorliegen. Wird MEK1 zerstört, kann MEK2 nicht mehr abgeschaltet werden und der Signalweg bleibt kontinuierlich aktiv. Das kann unkontrolliertes Zellwachstum auslösen. Um den Signalweg abzuschalten, muss MEK1 durch ein Protein markiert werden.

Die Wissenschafter konnten nun zeigen, dass diese Markierung von MEK1 auch notwendig ist, um einen weiteren Signalweg auszuschalten, der Zellwachstum und -überleben reguliert. MEK1 balanciert somit zwei Signalwege aus, die gemeinsam unkontrolliertes Zellwachstum fördern können.

Diese bedeutende Rolle von MEK1 erklärt nach Angaben der Forscher auch, warum Krebsmedikamente, die den ERK-Signalweg blockieren, oft nach einiger Zeit nicht mehr wirksam sind. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass man zelluläre Signalwege nicht in Isolation betrachten kann, sondern als das komplexe Netzwerk, das sie darstellen", so Baccarini. Die zellulären Verlinkungen zu verstehen sei essenziell, um neue Medikamente zum Beispiel zur Krebsbehandlung zu entwickeln, aber auch um bestehende Therapien so zu optimieren. (red/APA, derStandard.at, 1.3.2013)